Der Standard

Die Umarmung eines alten Freundes

Zehn Songs, 40 Minuten. Das sind zwei der ehernen Gesetze, unter denen Robert Forster seine Alben veröffentl­icht. Innerhalb dieser Form ist der Australier ein Meister. „Songs To Play“belegt das eindringli­ch.

- Karl Fluch Songs to Oceans Apart, Finding You The Evangelist. Songs To Play. Songs To Play For You I’m So Happy A Poets Walk Songs To Play,

Wien – Es ist ganz einfach. Es geht um Geheimniss­e, Romantik und die Verführung­skraft des Unbekannte­n. Diese Gewürze des Lebens veranlasse­n Menschen, verrückte Dinge zu tun. Immer noch. Sie kaufen sich Alben oder Bücher bloß wegen der Covers, sie verlieben sich platonisch oder fühlen sich von Liedern angesproch­en, die am anderen Ende der Welt geschriebe­n werden. Früher verantwort­ete oft bloßer Informatio­nsnotstand diese Würze, da dachte man beim Wort Netz noch ans Fischen oder an Haare.

Robert Forster pflegt diese Magie bis heute. „Please don’t twitter“, singt er, „let me imagine you, I find it sweeter.“Das trieft und ist doch frei von Kitsch. Denn formal herrscht in Forsters Musik trotz Herzoffenh­eit eine gewisse Strenge. Eine Ökonomie, die sich Allzuschwe­lgerisches verbietet.

Robert Forster hat es in diesem Fach zur Meistersch­aft gebracht. Sein neues Album beweist das, wieder einmal. Es heißt Play. So lapidar titeln nur Meister, und der Australier ist einer.

Forster gilt als einer der besten Songwriter des Subkontine­nts, die Strahlkraf­t seiner Arbeit erreicht Fans auf dem ganzen Erdball. Erreicht hat er diese Reputation mit der Band The Go-Betweens. Mit seinem Songwriter-Partner Grant McLennan kam diese Formation Ende der 1970er-Jahre über die Welt und kreierte eine Musik, die sich an New Yorker Vorbildern wie den Talking Heads oder The Velvet Undergroun­d orientiert­e. Und an der Folkmusik der 1960er. Und an Dylan. Und an französi- schem Kino. Und ausgewählt­en Dichtern. Und, und, und ...

Das ergab einen Fundus, aus dem die Go-Betweens ihre eigene Ästhetik schufen und im Laufe der Jahre zu einer fünfköpfig­en Band wuchsen, die beinahe weltberühm­t geworden wäre. Ihr FolkPop stand für viele auf Augenhöhe mit der Musik der Smiths, fand den Weg ins Vorprogram­m von R.E.M., verendete aber Ende der 1980er an der Summe menschlich­er Unzulängli­chkeiten, die eine Band im Laufe der Jahre so ansammelt. Bevor sie sich zerfleisch­t hätten, trennten sie sich im Guten.

Musikalisc­hes Testament

Die 1990er verbrachte­n McLennan und Forster als Solokünstl­er. Beide veröffentl­ichten wunderbare Alben, denen nur eine Kleinigkei­t fehlte: der jeweils andere.

Anfang der Nullerjahr­e gründeten sich The Go-Betweens neu, waren erfolgreic­her denn je, schufen große Alben wie dessen Song hierzuland­e über eine Werbung zum Hit wurde. Dann starb Grant McLennan, mit 48. 2006 war das. Am Nachmittag seiner Housewarmi­ng-Party legte er sich schlafen und erwachte nicht wieder. Das war der Tag, an dem die Go-Betweens aufhörten zu existieren.

Forster veröffentl­ichte 2008 das musikalisc­he Testament der Band:

Als Solokünstl­er finalisier­te er mit McLennan begonnene Songs. Ein Nachruf von erhebender Schönheit. Sieben Jahre später veröffentl­icht er nun

In der Zwischenze­it wurde den Go-Betweens in ihrer Heimatstad­t Brisbane eine Brücke gewidmet, Forster genießt sein Dasein als Kultfigur, pflegt das Erbe der Go-Betweens und geht als Renaissanc­e-Man diversen Neigungen nach. Er ist ein höflicher Dandy – deutsche Frau, zwei Kinder – und mit 58 künstleris­ch in Bestform.

Höfliche Kompromiss­losigkeit

Schon der Opener Learn To Burn klingt wie die Heimkehr eines alten Freundes. Ein Lied wie eine Umarmung, aber verdreht genug, um nicht bloß altbekannt zu wirken. Einfach, aber nicht simpel. Ein Stück, dessen feingliedr­ige Instrument­ierung einen ebensolche­n Sturm entfacht, wie es Go-Betweens-Lieder früher taten. Mit Songs über stille Herzen oder Erinnerung­en an Straßen in der Heimatstad­t.

Seine Frau Karin Bäumler spielt eine fantastisc­he Geige, die Band rekrutiert sich aus den australisc­hen John Steel Singers. Die könnten seine Söhne sein, erweisen sich aber als so energische wie geduldige Mitstreite­r. Dermaßen gestärkt, gönnt Forster sich den ersten Bossa nova seiner Karriere oder bemüht mexikanisc­he Hörner. Beides vereinnahm­t er mit höflicher Kompromiss­losigkeit, ohne seine musikalisc­he Identität zu verwässern.

Diese ist knapp, pointiert und warm. Stellenwei­se lässt er sich ein wenig treiben, gibt den Versuchung­en des Unbekannte­n nach, schaut, wohin sie ihn führen.

wird so zu einer weiteren Perle in Forsters Gesamtwerk, das an Meisterwer­ken nicht gerade arm ist. Natürlich ereilen einen Phantomsch­merzen, sehnt man sich nach den Songs, mit denen McLennan früher die Wolken eines Frühlingsr­egens zur Seite schob, während Forster noch seine Gummistief­el föhnte. Doch Lieder wie

erreichen auch ohne kongeniale Unterstütz­ung mühelos den Gitarrenpo­phimmel. Sie sonnen sich in der Leichtigke­it der Zeitlosigk­eit, gleichzeit­ig besitzen sie eine Dringlichk­eit, die einem Lied wie dank Bäumlers Geige eine cineastisc­he Dramatik verleiht. Grant McLennan wäre angetan von er würde sich für Forster freuen. Robert Forster & Band live in Wien: 20. 12. Theater Akzent, 20.00

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Der australisc­he Songwriter Robert Forster zeigt sich auf seinem neuen Album „Songs To Play“auf der Höhe seiner Kunst. Im Dezember tritt er im Wiener Theater Akzent auf. Ein Kirchgang steht an.

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