Die Zugabe als Herzstück
Die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim im Musikverein
Wien – Auch im Musikverein geht’s wieder los. Theophil Hansens klassizistische Schmuckschatulle beherbergt nicht nur Österreichs prestigeträchtigsten Konzertsaal. Die Eigentümerin, die Gesellschaft der Musikfreunde, ist auch eine potente Konzertveranstalterin und bietet in dieser Saison rund 60 Abozyklen an. Den Auftakt zur Konzertseligkeit in Gold machte ein Gastspiel der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim am Sonntagmittag, mit Martha Argerich als Solistin von Beethovens B-Dur-Klavierkonzert op. 19.
Das Frühwerk verendet interpretatorisch ja gern im seichten Bassin dezenten Geplätschers. Nicht so bei den zwei Altmeistern Barenboim und Argerich: Schon die tänzerische Elastizität, die Frische, die Lebendigkeit, mit der Barenboim und die Staatskapelle den Kopfsatz eröffneten, war wundervoll. Argerich spielte klar, pointiert, mit jenem Zug ins Herbe, Harte, Bissige, der ihr als Interpretin charakteristisch ist. Von ihrem rauchgrauen Haar umweht, unternahm die 74-Jährige immer wieder Rückzüge in Resorts der Traumverlorenheit – etwa im Epilog des Adagios. Mit Witz und trockenen, wieselflinken Läufen wurde dem Finalsatz begegnet.
Zum Herzstück des Konzerts wurde die Zugabe: Nachdem das Notenpult und eine zweite Kla- vierbank gebracht worden waren, spielten Barenboim und Argerich vierhändig – Schuberts Rondo D 951. Rührend, mit welcher Innigkeit, Zartheit und Genauigkeit die zwei Ausnahmekünstler aus Buenos Aires musizierten.
Nach der Pause wurde jene Kulturprominenz des Landes, die nicht beim zeitgleichen Konzert der Wiener Philharmoniker im Konzerthaus war, von Edward Elgars opulenter erster Symphonie überrollt – einem wuchtigen Werk, das bei seiner Uraufführung 1908 so gefeiert wurde, weil es seiner Zeit nicht voraus, sondern eher etwas hinterher war. Das Privileg aller mittleren Kunst. Barenboim und die Berliner schonten sich hierbei nicht.