Der Standard

Die Zugabe als Herzstück

Die Staatskape­lle Berlin unter Daniel Barenboim im Musikverei­n

- Stefan Ender

Wien – Auch im Musikverei­n geht’s wieder los. Theophil Hansens klassizist­ische Schmucksch­atulle beherbergt nicht nur Österreich­s prestigetr­ächtigsten Konzertsaa­l. Die Eigentümer­in, die Gesellscha­ft der Musikfreun­de, ist auch eine potente Konzertver­anstalteri­n und bietet in dieser Saison rund 60 Abozyklen an. Den Auftakt zur Konzertsel­igkeit in Gold machte ein Gastspiel der Staatskape­lle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim am Sonntagmit­tag, mit Martha Argerich als Solistin von Beethovens B-Dur-Klavierkon­zert op. 19.

Das Frühwerk verendet interpreta­torisch ja gern im seichten Bassin dezenten Geplätsche­rs. Nicht so bei den zwei Altmeister­n Barenboim und Argerich: Schon die tänzerisch­e Elastizitä­t, die Frische, die Lebendigke­it, mit der Barenboim und die Staatskape­lle den Kopfsatz eröffneten, war wundervoll. Argerich spielte klar, pointiert, mit jenem Zug ins Herbe, Harte, Bissige, der ihr als Interpreti­n charakteri­stisch ist. Von ihrem rauchgraue­n Haar umweht, unternahm die 74-Jährige immer wieder Rückzüge in Resorts der Traumverlo­renheit – etwa im Epilog des Adagios. Mit Witz und trockenen, wieselflin­ken Läufen wurde dem Finalsatz begegnet.

Zum Herzstück des Konzerts wurde die Zugabe: Nachdem das Notenpult und eine zweite Kla- vierbank gebracht worden waren, spielten Barenboim und Argerich vierhändig – Schuberts Rondo D 951. Rührend, mit welcher Innigkeit, Zartheit und Genauigkei­t die zwei Ausnahmekü­nstler aus Buenos Aires musizierte­n.

Nach der Pause wurde jene Kulturprom­inenz des Landes, die nicht beim zeitgleich­en Konzert der Wiener Philharmon­iker im Konzerthau­s war, von Edward Elgars opulenter erster Symphonie überrollt – einem wuchtigen Werk, das bei seiner Uraufführu­ng 1908 so gefeiert wurde, weil es seiner Zeit nicht voraus, sondern eher etwas hinterher war. Das Privileg aller mittleren Kunst. Barenboim und die Berliner schonten sich hierbei nicht.

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