Der Standard

Der große Künstler und sein kleines Ich-bin-ich

Mit „Ich und Kaminski“hat Wolfgang Becker einen Roman von Daniel Kehlmann verfilmt. Eine Satire auf einen selbstverl­iebten und blinden Kunstbetri­eb, die selbst die Kunst als Mittel zum Zweck betrachtet.

- Michael Pekler Ich und Ka- Ich und Kaminski

Wien – Ich und Kaminski sei ein Film über Blindheit in vielfachem Sinn, schreibt der Autor Daniel Kehlmann über die Adaption seines Bestseller­s. Das ist wohl richtig, denn tatsächlic­h geht es in diesem Film um das Verdrängen, um Selbstbetr­ug und Selbsttäus­chung. Es geht um die Lüge und die Wahrheit – und letztlich darum, wie weit man geht, um die Blindheit anderer bestmöglic­h für sich zu nutzen.

Die Frage, ob der greise Maler Kaminski (Jesper Christense­n) nun eigentlich blind sei oder nicht, wird somit zur wichtigen Nebensache. Das Ich in diesem Film ist der Kunstjourn­alist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl), der sich beim zurückgezo­gen lebenden Meister eingeschli­chen und eingeniste­t hat, um eine Biografie über ihn zu verfassen. Ausschließ­lich für den eigenen Vorteil natürlich, denn minski versteht sich als Satire auf den sogenannte­n Kunstbetri­eb, in dem es vor Heuchlern und Narzissten nur so wimmelt.

Dass Kaminski mit seiner Blindheit vielleicht schon immer ein doppeltes Spiel gespielt hat („Painted by a Blind Man“), passt da nur allzu gut. In einer der besten Szenen hört man Zöllner, als er gerade von seiner Freundin verlassen wird, sich selbst fragen, ob es nicht angebracht wäre zu weinen. Jede mögliche Emotion gerät zum falschen Spiel, und seien es Krokodilst­ränen über das eigene Elend.

Zöllner beim Denken zuzuhören ist aber kein Vergnügen. Weil er nämlich gar nicht denkt, sondern wie ferngesteu­ert ausschließ­lich seine Ziele – Ruhm und Reichtum – vor Augen hat. Die Fahrt zum hoch in den Alpen gelegenen Chalet, in dem Kaminski nur erlesene Gäste empfängt, sieht Zöllner nicht als Pilgerreis­e, sondern als ein Entgegenko­mmen seinerseit­s. Die Dorfwirtin, bei der er sich ein Zimmer nimmt, durchschau­t ihn natürlich mit Bauernschl­äue.

Spiel und Spott

Das ist jener Blick, den uns auch Wolfgang Becker als Koautor und Regisseur des Films vorschlägt. Immer ist man mit ihm seinen Figuren voraus, kann man Zöllner in seiner Oberflächl­ichkeit lächerlich finden und sogar die Durch- triebenhei­t Kaminskis als abgekartet­es Spiel erkennen. Weshalb

auch offensicht­lich darauf Wert legt, seinen Antihelden gerade so schmierig und unsympathi­sch auftreten zu lassen, dass dieser arme Tor noch ein wenig von unserem Mitleid abbekommt. Denn im Grunde soll er gar nicht das Ziel des Spotts sein, sondern einfach nur als Stellvertr­eter für ein System agieren: als eine Marionette, die bei jeder Gelegenhei­t einknickt.

Das eigentlich Erstaunlic­he an diesem Film ist, dass er im Grunde ähnlich funktionie­rt wie Zöllner. Beide betrachten die Welt der Kunst als Mittel zum Zweck. In diesem Sinn handelt es sich bei Ich und Kaminski um die perfekte Verfilmung. Ab Freitag

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Daniel Brühl in „Ich und Kaminski“.
Der alte Mann und sein eitler Biograf: Jesper Christense­n und Daniel Brühl in „Ich und Kaminski“.

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