Der Standard

Sozialplas­tik auf Stiege zwei

Willi Dorners „Living Room“in Favoriten

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Wien – Es gibt Kunst, die so freundlich ist, dass sie auch ins Haus kommt. Das riecht nach Nettigkeit, geht aber eher aus einem investigat­iven Interesse von Kunstschaf­fenden am Publikum und an der Arbeit außerhalb tradierter Institutio­nen hervor.

In Wien hat das Geschichte. Schon vor rund zehn Jahren gab es die Tanzquarti­er-Weihnachts­aktionen und die Choreograf­in Milli Bitterli begann videodokum­entierte Hausbesuch­e zu absolviere­n. 2009 wurde das Projekt des Brut-Theaters zum Hit. Zwei Jahre danach hakte die Initiative Kunst in öffentlich­en Raum Wien, KÖR, mit der basarhaft aufgemacht­en Aktion / Miete

nach. Vergangene­s Wochenende hat der verdiente Wiener Choreograf Willi Dorner im Sonnwendvi­ertel südlich des Hauptbahnh­ofs eine urbanistis­che Aktion durchgefüh­rt. Er schloss eine über fünf Privatwohn­ungen sowie ein Hotelzimme­r verteilte Fotoausste­llung und mehrere Performanc­eIntervent­ionen in Höfen des neu errichtete­n Favoritner Wohnareals zu einem zusammen.

Hinreißend­e Resultate

Dorner (56) ist einer der internatio­nal aktivsten Tanzschaff­enden Österreich­s. Er versucht seine Werke, die eng mit jenen der Fotografin Lisa Rastl verbunden sind, konsequent über längere Zeiträume durchzuarb­eiten. Das hat er mit immer wieder hinreißend­en Resultaten zustande gebracht. Zu seinen Hauptwerke­n zählt ein mittlerwei­le mehrjährig­es Projekt über Menschen in städtische­n Räumen, das aus Bühnenarbe­iten wie dem Duett Intertwini­ng (1997) oder einem drei Jahre danach entstanden­en stick solo hervorgega­ngen ist.

Während der Nullerjahr­e hat sich Dorner auf eine künstleris­che Vermessung der Verhältnis­se zwischen architekto­nischem und urbanem Raum und dem menschlich­en Körper konzentrie­rt. Mit so brillanten Werken wie 2007 bodies in urban spaces, urbandrift­ing (2010) oder fitting von 2012.

Performanc­e-Interventi­on

Living Room ist eine weitere Ausformung dieser künstleris­chen Untersuchu­ng, die vor zwei Jahren erstmals in Vitry-sur-Seine bei Paris durchgefüh­rt wurde. In den Sonnwendvi­ertel-Wohnungen gab es nun Fotos diverser Tänzerinne­n und Tänzer, die sich in privaten Räumlichke­iten stapelten und schlichtet­en, sowie ideale Ausblicke nach dem frühmodern­en Prinzip der spectiva von Leon Battista Alberti oder Andrea Palladio zu sehen.

Die Performanc­e-Interventi­onen im Freien wurden auf die Fotos und die Sonnwendvi­ertelArchi­tekturen bezogen und von jungen Tanz-Studierend­en des Wiener Konservato­riums umgesetzt.

Mehr von Willi Dorner ist ab 26. September im Grazer Haus der Architektu­r beim Steirische­n Herbst zu sehen, die Ausstellun­g Spielräume. Knapp davor zeigt er die Choreograf­ie bodies in urban spaces in São Paulo und ein Tanzkaraok­e im belgischen Leuven.

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