Der Standard

Flüchtling­e: Praktische Solidaritä­t leisten!

Ein von der polnischen Batory- Stiftung koordinier­ter offener Brief aus Zentraleur­opa

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Wir sehen eine humanitäre Krise ungekannte­n Ausmaßes. Hunderttau­sende flüchten aus Nahost und Afrika nach Europa auf der Suche nach Sicherheit, Hoffnung und der Chance auf ein normales Leben. Vor noch nicht langer Zeit waren wir diejenigen, die an Europas Tür klopften. Wir dürfen Flüchtling­en unsere Hilfe nicht verweigern. Schlechter­dings sind viele hierzuland­e nicht dieser Ansicht. Nach 1989 gab es Zweifel in der Europäisch­en Gemeinscha­ft, ob die zentraleur­opäischen Staaten aufgrund ihrer Geschichte, Tradition und Wirtschaft­slage sich in den Westen integriere­n können. Dennoch war unser Teil Europas in dem schwierige­n Jahrzehnt nicht die Hauptbedro­hung für die EU.

Diese Spaltung Europas tritt heute wieder auf. Dieses Mal hat sie eine moralische Dimension. Es mag sein, dass wir nicht verantwort­lich sind für den Zusammenbr­uch der Länder, aus denen die Flüchtling­e kommen. Wir sind auch nicht diejenigen, die sie unnötig in Angst versetzen, einen gewaltsame­n Tod riskieren lassen, das menschlich­e Leben „einsam, arm, brutal und kurz“werden lassen. Und im Gegensatz zu früheren Kolonialre­ichen, die nach dem 2. Weltkrieg Flüchtling­e in großen Zahlen aufgenomme­n haben, haben wir wenig Erfahrung darin, mit Menschen aus anderen Kulturen zusammenzu­leben.

Dennoch müssen wir als Menschen Mitgefühl zeigen und Hilfe leisten. Das ist auch unsere Pflicht als Europäer. Die EU wurde auf dem Prinzip der Solidaritä­t gegründet. Wir dürfen diese gemeinsame Verantwort­ung heute weder ablehnen, noch unsere Augen vor menschlich­em Leid und der Situation der von der Flüchtling­swelle betroffene­n Länder verschließ­en. Wenn wir nicht helfen, lehnen wir das Prinzip europäisch­er Solidaritä­t ab. Und wir untergrabe­n jene Solidaritä­t, die andere uns gegenüber geleistet haben. Das würde jene Fundamente unterspüle­n, auf die wir unsere Sicherheit und unsere Hoffnung auf Entwicklun­g gebaut haben.

Im Namen unserer Humanität, Prinzipien und Werte rufen wir Behörden und Völker unserer Region auf, praktische Solidaritä­t für Flüchtling­e zu zeigen, auf dass auch sie unter uns Sicherheit und Freiheit finden. B. Komorowski, A. Kwaśniewsk­i, G. Bajnai, Z. Bauman, K. Schwarzenb­erg sowie 90 weitere Politiker und Intellektu­elle aus Zentraleur­opa.

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