Der Standard

Österreich blieb heuer Beitrag für Syrien-Hilfe schuldig

UN streckte 650.000 Euro vor – EU-Beschluss zu Verteilung

- András Szigetvari aus Brüssel

Wien/Brüssel – Da die Regierung mindestens 650.000 Euro bisher nicht gezahlt hat, musste die UNAgentur World Food Programme (WFP) diesen Betrag vorstrecke­n. Der Großteil davon, 400.000 Euro, war für die Versorgung von syrischen Flüchtling­en vorgesehen. Das geht aus einem internen Papier hervor, das dem Standard vorliegt. Im Außenminis­terium bestätigt man auf Anfrage, die Zahlung bisher nicht geleistet zu haben.

Beim Treffen der EU-Innenminis­ter gab es einen Mehrheitsb­eschluss zur Verteilung von 120.000 Menschen. Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumä- nien hatten sich bis zuletzt dagegen gesperrt. Das Flüchtling­sproblem lässt auch die Lage zwischen Serbien und Kroatien, das die Grenzen zum Nachbarn seit Tagen geschlosse­n hält, eskalieren. Der serbische Premier rief die EU um Hilfe an. (red)

Als die ungarische Regierung Serbien im Sommer per Gesetz zu einem sicheren Drittland erklärte, war der Aufschrei bei NGOs und Flüchtling­sorganisat­ionen groß. Mit dem Status will Budapest sicherstel­len, dass keine Flüchtling­e mehr über Serbien einreisen. Wer es dennoch tut und Asyl in Ungarn beantragt, muss wieder zurück, egal ob er nun aus Syrien oder dem Irak kommt. Die Asylwerber hätten ja schon um Schutz in Serbien ansuchen können, argumentie­ren die Ungarn.

Die EU-Innenminis­ter erwägen derzeit, in die Fußstapfen Ungarns zu treten. Konkret haben sie eine Initiative gestartet, um das Konzept der sicheren Drittstaat­en außerhalb der EU wiederzube­leben. Zur Ausgangsla­ge: Die EU-Kommission hatte Anfang September vorgeschla­gen, eine einheitlic­he Liste mit sicheren Herkunftsl­ändern zu erstellen. Menschen aus diesen Staaten können zwar weiterhin Asyl in der EU beantragen, de facto haben sie aber kaum Chancen, damit durchzukom­men. In der Regel kann das Verfahren beschleuni­gt durchgefüh­rt werden. Ein Antragstel­ler müsste schon sehr konkret belegen, dass er in seinem Heimatland verfolgt wird. Die EU-Kommission wollte alle Staaten des Westbalkan­s, also etwa Serbien, Kosovo, Albanien, Montenegro, plus die Türkei als sicher einstufen.

Die EU-Innenminis­ter haben diesen Vorschlag bereits aufgegriff­en und sich auf die Liste – mit Ausnahme der Türkei – geeinigt. Doch die Minister wollen einen Schritt weitergehe­n. Auch Menschen, die nur über eines der sicheren Länder einreisen, sollen kein Asyl mehr bekommen, also mit beschleuni­gten Verfahren abgeschobe­n werden. So steht es in einer Erklärung der Innenminis­ter aus der vergangene­n Woche.

Der Text ist rechtlich nicht verbindlic­h und im Augenblick nur eine Absichtser­klärung. Er gibt aber Aufschluss darüber, wie Europa auf die Flüchtling­skrise auf längere Sicht reagieren will.

Eine EU-Richtlinie erlaubt bereits derzeit jedem einzelnen Unionsland, das Konzept der si- cheren Drittstaat­en anzuwenden. In der Praxis wird diese Regelung aber so gut wie nicht genutzt. In nur acht EU-Ländern, darunter Österreich, die Niederland­e und Großbritan­nien, gibt es überhaupt die gesetzlich­e Möglichkei­t, ein sicheres Transitlan­d auszurufen. Konkret getan hat das nur Ungarn.

„Sprechblas­e“

Die EU-Innenminis­ter halten zwar ausdrückli­ch fest, dass Rückschieb­ungen nur stattfinde­n dürfen, wenn die Länder auf dem Westbalkan zusätzlich­e Unterstütz­ung, etwa Hilfsgelde­r, bekommen. Auch die menschenre­chtlichen Standards müssen eingehalte­n werden. Der Chef von Amnesty Österreich, Heinz Patzelt, kritisiert die Stoßrichtu­ng dennoch. Die Gefahr sei hoch, dass das Gerede über den Menschenre­chtsschutz in den Transit- ländern „nur eine Sprechblas­e“ist, sagt Patzelt. Selbst in EU-Länder wie Griechenla­nd dürften wegen der schlechten Versorgung von Flüchtling­en vor Ort aktuell keine Menschen zurückgesc­hoben werden. Ärmere Länder wie Serbien oder Mazedonien seien bei einem großen Andrang von Asylwerber­n erst recht überforder­t „und können eine menschenwü­rdige Unterbring­ung nicht gewährleis­ten“.

Bei der Uno-Flüchtling­sorganisat­ion UNHCR ist man ebenfalls zurückhalt­end: Nur unter bestimmten Voraussetz­ungen dürfte das Konzept der sicheren Drittstaat­en belebt werden. So müsse nicht nur sichergest­ellt sein, dass Menschen ordentlich versorgt werden. Eine Abschiebun­g in ein Drittland sollte nur möglich sein, wenn der Asylwerber eine Beziehung zu dem Staat hat oder über Bindungen dort (Familie, Freunde) verfügt.

Anfang Oktober wollen die EUInnenmin­ister zunächst den juristisch­en Text fertig ausarbeite­n, der die Einrichtun­g der sicheren Herkunftsl­änder vorsieht. Dann müsste die EU Rücküberna­hmeabkomme­n mit den Balkanländ­ern aushandeln – ohne Vereinbaru­ngen werden Serbien und andere Staaten niemanden zurücknehm­en. Schnell dürfte es also keine Durchbrüch­e geben.

Weiter um eine Einigung gerungen wurde am Dienstag in Brüssel indes bei einem Krisentref­fen der EU-Innenminis­ter. Dabei ging es um die Quotenrege­lung für die Verteilung von 160.000 Asylwerber­n aus Italien und Griechenla­nd. Die Verteilung von 120.000 Flüchtling­en wurde per Mehrheitsb­eschluss am späten Nachmittag vereinbart.

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Innenminis­tertreffen zur Quote: Jean Asselborn, Thomas de Maizière und Johanna Mikl-Leitner.

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