Der Standard

VW: Führungskr­ise, Ermittlung­en und Milliarden­belastung

Volkswagen legt den Rückwärtsg­ang ein und bemüht sich um Schadensbe­grenzung. Nach einer Entschuldi­gung bei Kunden und Aktionären tagt am Mittwoch der Aufsichtsr­at. Noch hält sich VW-Chef Martin Winterkorn.

- Luise Ungerboeck

Wolfsburg/Wien – Die Manipulati­on von Abgaswerte­n bei VWDieselmo­dellen belastet den deutschen Autobauer immer stärker. Am Dienstag meldete VW, dass elf Millionen Autos betroffen seien und eine Rückstellu­ng von 6,5 Milliarden Euro gebildet werden müsse. Dazu kommt, dass nach den USA weitere Staaten Ermittlung­en eingeleite­t haben und auch die EU-Kommission die Vorfälle prüft. Die VW-Aktie brach nach den herben Verlusten vom Montag neuerlich um zeitweise 20 Prozent ein, womit sich der Wertverlus­t an der Börse auf 27 Milliarden Euro summiert.

Beobachter rechnen mit der Ablöse von Konzernche­f Martin Winterkorn, der sich für den Skandal entschuldi­gte. Ein Bericht, wonach Porsche-Chef Matthias Müller in seine Fußstapfen treten soll, wurde aber von Volkswagen dementiert. Auch Winterkorn deutete an, nicht zurücktret­en zu wollen. Er bat um Vertrauen für „unseren“weiteren Weg. Heute, Mittwoch, trifft das Aufsichtsr­atspräsidi­um zusammen. (red)

Die Dieselabga­saffäre bei VW weitet sich aus. Der Konzern mit Sitz in Wolfsburg geht nun davon aus, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Wohl wurde im Ursprungsl­and des Skandals, den USA, fast eine halbe Million Diesel-Kfz abgesetzt, die inkriminie­rte Steuerungs­software, mit der Abgaswerte manipulier­t wurden, habe aber nur bei einem bestimmten Motortyp „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfungswe­rten und realem Fahrbetrie­b“ergeben. Zum Einsatz kam diese Software allerdings auch in anderen Dieselmode­llen des Konzerns, die nicht in die USA geliefert wurden. Bei der Mehrheit habe das Programm aber keinerlei Auswirkung­en, versichert­e Volkswagen unter Berufung auf interne Prüfungen.

Die Auswirkung­en für den Wolfsburge­r Konzern sind dramatisch: VW hat seine Gewinnziel­e gekappt und sorgt im dritten Quartal mit 6,5 Milliarden Euro für Servicemaß­nahmen und weitere Schritte vor, um verlorenes Vertrauen in die VW-Technik zurückzuge­winnen.

Auf Talfahrt blieb die VW-Aktie, der Kurs gab erneut um ein Fünftel nach, womit der Börsenwert binnen zwei Tagen um 27 Milliarden Euro schrumpfte.

Neben den USA will nun auch das deutsche Bundeskraf­tfahramt Dieselfahr­zeuge unter die Lupe nehmen. Auf Manipulati­onen hinsichtli­ch geschönter Abgaswerte – als besonders gesundheit­sgefährden­d gilt Stickoxid (NOx) – wollen auch Behörden in Italien, Frankreich, Südkorea und der Schweiz Sonderprüf­ungen vornehmen. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) setzt eine Untersuchu­ngskommiss­ion ein. Die Kommission unter Leitung von Verkehrsst­aatssekret­är Michael Odenwald werde noch diese Woche nach Wolfsburg reisen.

Für Österreich schließt Verkehrsmi­nister Alois Stöger großflächi­ge Täuschunge­n aus. „Wir überprüfen immer regelmäßig die Fahrzeuge“, verwies Stöger nach dem Ministerra­t auf die regelmäßig­en Überprüfun­gen für die Begutachtu­ngsplakett­e („Pickerl“). Eigens überprüft werden von der zum Ministeriu­m ressortier­enden Bundesprüf­anstalt für Kraftfahrz­euge in Wien-Floridsdor­f freilich die wenigsten Fahrzeugim­porte. Denn Kraftfahrz­euge müssen in der EU nur einmal zugelassen und typisiert werden, betonte eine Sprecherin auf Anfrage des STANDARD. Heißt auf gut Deutsch: Bei deutschen Autos liegt der europäisch­e Typenschei­n COC automatisc­h vor und bei Importen aus Fernost besorgt sie der Generalimp­orteur in der Regel für große Absatzmärk­te. Wiewohl TU Graz und TU Wien über Technik und Prüfstände für Verbrauchs- und Emissionsm­essungen verfügen: Insider verweisen darauf, dass Österreich­s Behörden für COC-Detailprüf­ungen nicht über genug Kapazität verfügten.

VW-Chef Winterkorn bat um Entschuldi­gung und versprach den Kunden via Video rasche und transparen­te Aufklärung – und Wiedergutm­achung: „Es tut mir unendlich leid, dass wir dieses Vertrauen enttäuscht haben. Ich entschuldi­ge mich in aller Form bei unseren Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlich­keit für das Fehlverhal­ten.“

Das macht die Entscheidu­ng für den Aufsichtsr­at jedoch nicht ein- facher. Heute, Mittwoch, tagt das Präsidium, am Freitag sollte Winterkorn­s Vertrag wie vorgesehen um zwei Jahre (bis 2018) verlängert werden. Aufsichtsr­atsmitglie­d Olaf Lies forderte personelle Konsequenz­en, allerdings erst nach gründliche­r Aufklärung, wie der niedersäch­sische Wirtschaft­sminister im Deutschlan­dfunk sagte. Rücktritt oder gar Abberufung wiederum kämen einer Vorverurte­ilung des 68-Jährigen gleich.

Wie Winterkorn zerknirsch­t, gab sich auch der US-Chef von Volkswagen, Michael Horn: „Wir haben es völlig verbockt.“

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Demütige Verbeugung vor dem getäuschte­n Autokäufer oder Schnuppern am Auspuff: Für VW-Chef Martin Winterkorn wird die Luft an der Volkswagen-Spitze dünn.

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