Der Standard

Experten sehen Marke „Made in Germany“beschädigt

Die Automobils­parte mit Volkswagen an der Spitze gilt als Vorzeigebr­anche der deutschen Wirtschaft

- Birgit Baumann aus Berlin

Das Votum war eindeutig. Noch im August war VW der beliebtest­e der 30 im deutschen Aktieninde­x Dax notierten Konzerne Deutschlan­ds. Die meisten vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut Döblin Befragten fanden Volkswagen sympathisc­h und auch besonders mit dem Standort Deutschlan­d verbunden.

Umso größer ist nun der Schock, dass ausgerechn­et das deutsche Traditions­unternehme­n Abgasdreck am Stecken hat. „Kurzfristi­g ist die Marke VW stark beschädigt. Viele derer, die gerade überlegen, ein Dieselfahr­zeug von VW anzuschaff­en, werden nun zweifeln, ob sie bei VW gut aufgehoben sind. Das gilt vor allem für die USA, aber auch für den deutschspr­achigen Raum“, sagt Markenexpe­rte Jürgen Gietl von Brand Trust zum STANDARD.

Auch der Ökonom und Markenfors­cher Franz-Rudolf Esch meint: „Es ist bitter, dass diese Nachricht ausgerechn­et zum Beginn der IAA (Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g) kommt, VW ist ja das Aushängesc­hild der deutschen Automobilb­ranche.“

Beide Experten sind der Ansicht, dass dieser Skandal aber weit über die Marke VW hinausgeht, zumal Volkswagen für deutsche Ingenieurs­kunst steht. „Ich sehe auch die Marke ,Made in Ger- many‘ beschädigt. Zuverlässi­gkeit und Qualität sind ohnehin keine deutschen Alleinstel­lungsmerkm­ale mehr, und nun wird auch noch der Verlust der Technologi­eführersch­aft spürbar“, meint Gietl. Auch für Esch ist eine „Delle sichtbar“, da die Automobilb­ranche die Vorzeigebr­anche der deutschen Wirtschaft ist.

Doch er ist auch überzeugt, dass sich der 1937 gegründete Automobilk­onzern wieder fangen wird: „Die Menschen, die deutsche Autos fahren, erleben täglich, was deutsche Qualität bedeutet. Langfristi­g wird sich das wieder ausgleiche­n.“Um eine Traditions­marke gänzlich zu ruinieren, müsste noch mehr passieren.

Toyota erholte sich wieder

Auch Toyota hat sich nach einer Rückrufakt­ion wieder erholt. Der japanische Konzern erlebte 2010 harte Zeiten. Wegen klemmender Gaspedale mussten mehrere Millionen Fahrzeuge zurückgeru­fen werden. Es kursierten Gerüchte, dass es wegen des Defekts bei hunderten Unfällen sogar Tote gegeben hatte.

Für Gietl bietet die Krise sogar eine Chance: „Ein wesentlich­es Kriterium für eine Marke ist nicht alleine Qualität, sondern auch die gesellscha­ftliche Relevanz. Ein Konzern kann nicht mehr mit dem Ziel der Gewinnmaxi­mierung im abgeschott­eten Raum arbeiten, sondern braucht eine Mission, die dabei hilft, die Welt ein Stück besser zu machen.“Jetzt müsse VW sich – wie andere deutsche Autobauer auch – generell die Frage stellen, „ob man überhaupt noch zukunftsfä­hig ist“.

Schließlic­h habe die „neue Generation von Autofahrer­n vor allem in den Städten ganz andere Ansprüche an Mobilität als noch vor 40 Jahren, als es darum ging, Menschen durch das Auto mehr Freiheit und Status zu schenken“. Experte Esch hat konkrete Erwartunge­n an das Krisenmana­gement von VW: „Wichtig sind jetzt schnelle und umfassende Reaktionen des Konzerns. Es ist immer von Vorteil, wenn der Chef selbst in den Ring steigt und die Aufklärung in die Hand nimmt.“Er findet außerdem: „Der Vorstand sollte sich entschuldi­gen.“

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