Der Standard

Wunschkind der Gläubiger enttäuscht

Die liberale griechisch­e Partei To Potami blitzt wieder als Koalitionä­r ab

- Markus Bernath aus Athen

Dieses Mal wollten sie wirklich dabei sein. „Wir können es“, versprache­n sie den Griechen auf den Wahlplakat­en. Aber das klang nach Barack Obama und nach Podemos, der spanischen Anti-Austerität­s-Partei, bereits ein wenig abgedrosch­en. In der Wahlnacht war die Enttäuschu­ng dann groß: To Potami, die liberale Bürgerbewe­gung, kam nur auf vier Prozent und elf Sitze. „Potami ist sehr weit von seinen Zielen“, räumte Stavros Theodoraki­s, der 52-jährige Ex-Fernsehmod­erator und Vorsitzend­e, ein.

Sechs Prozent hatte die Partei mit dem halb poetischen Namen Der Fluss (To Potami) noch bei den Parlaments­wahlen im Jänner bekommen, zehn Prozent und den Einstieg in die Regierung hatte sie dieses Mal anvisiert. Für Griechenla­nds Gläubiger ist To Potami der richtige Koalitions­partner für Alexis Tsipras, nicht die kleine Rechtspopu­listenpart­ei Anel.

Auch die Abgeordnet­en von To Potami sind ohne Regierungs­erfahrung. Doch ganz anders als bei Tispras’ Syriza haben sich viele Freiberufl­er „dem Fluss“angeschlos­sen, der versteht, wie Märkte und Unternehme­n funktionie­ren. Dessen Vorschläge für radikale Schritte bei der Korruption­sbekämpfun­g und der Verwaltung­sreform decken sich zum Teil mit denen von Syriza. So plädiert To Potami für die Entlassung und Neuausschr­eibung sämtlicher hoher Beamtenpos­ten in Griechenla­nd.

Doch die Kontur der Bürgerbewe­gung, die nicht Partei sein will, ist diffus geblieben. Die Schuld dafür wird ihrem Vorsitzend­en Theodoraki­s gegeben. Seine Kritiker auf der Linken wie der Rechten sagen wenig Schmeichel­haftes über ihn: Ein typisches Produkt griechisch­er Medienunte­rnehmen sei er, mit großem Ego, aber ohne eigenständ­iges politische­s Denken.

To Potami gehören Haris Theoharis an, der sich als Jäger von Steuerhint­erziehern einen Namen machte, und der Linkspolit­iker Spyros Likoudis. Das Wahlergebn­is ist für To Potami umso bitterer, als eine andere Mitteparte­i den Sprung ins Parlament schaffte: 15 Anläufe hat der als verschrobe­n geltende Vassilis Leventis dafür seit 1993 gebraucht. Seine Enosi Kentroon (Zentristen-Union) hat sich der Korruption­sbekämpfun­g verschrieb­en.

Neues Kabinett in Athen

Tsipras wollte sein neues Kabinett am Dienstagab­end vorstellen. Es wurden nur kleine Änderungen erwartet: Die für Immigratio­nsfragen zuständige frühere Ministerin Tasia Christodou­lopoulou dürfte ihr Ressort nicht mehr erhalten, weil sie eine zu schlechte Figur gemacht hatte. Ex-Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos dagegen soll sich gesträubt haben, das Ministeriu­m erneut zu übernehmen. Bleibt er dabei, dürfte ihn der derzeit interimist­isch amtierende Finanzmini­ster Giorgos Houliaraki­s ersetzen; der hatte die technische­n Gespräche bei den Kreditverh­andlungen geleitet. Der frühere Innenminis­ter Nikos Voutsis galt als Kandidat für das Amt des Parlaments­präsidente­n.

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Foto: Reuters/Kourtoglou „Sehr weit von den Zielen“: To-PotamiChef Stavros Theodoraki­s ist frustriert.

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