Der Standard

Xis schwierige­r „historisch­er Staatsbesu­ch“

Mit viel Akribie haben Diplomaten beider Seiten den US-Besuch von Chinas Präsident Xi geplant. Zuletzt gab es freundlich­e Gesten – denn ein Scheitern wäre für Peking und Washington gleicherma­ßen fatal.

- Johnny Erling aus Peking

Seit neun Monaten bereitet Peking den Besuch vor, am Dienstag war es so weit: Chinas Präsident Xi Jinping startete seine mehrtägige Reise in die USA, die ihn zunächst zu Technologi­eunternehm­en an der Westküste und Ende der Woche zum Treffen mit US-Präsident Barack Obama und zu den Vereinten Nationen führen soll. Im Voraus war die Visite von Chinas Medien übersteige­rt dargestell­t und gar zum „historisch­en Staatsbesu­ch“verklärt worden.

Konkret beginnt Xi in Seattle mit einem Wirtschaft­sforum, bei dem er sich von den 15 wichtigste­n Konzernche­fs seines Landes begleiten lässt. Vieles hat sich seit den Planungen seiner Reise im Frühjahr verändert. Xi glaubte da noch, bei seinem Treffen mit Obama durch eine zwar langsamere, aber florierend­e chinesisch­e Wirtschaft, boomende Börsenkurs­e und einen stabilen Renminbi Rückenwind zu haben. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IMF) hatte Peking fast schon fest zugesagt, den Renminbi zu Ende des Jahres in seinen Währungsko­rb aufzu- nehmen. Doch ein halbes Jahr später kommt nun ein von den Rückschläg­en des Börsencras­hs und der Verunsiche­rung über die eigene Wirtschaft arg zusammenge­stutzter Besucher.

Umso mehr trägt Pekings Propaganda nach außen dick auf. Sie spricht vom „Jahrhunder­tereignis“. Su Ge, Präsident des Internatio­nalen Instituts für Strategisc­he Studien, vergleicht Xis Visite gar mit der USA-Reise von Deng Xiaoping 1979, von der das Signal zur Öffnung des Landes ausging.

„Glück für beide Länder“

Die Zeitung der ZK-Parteihoch­schule, Study Times, hob Montag ein Zitat Xis zu seiner Reise als „Wichtige Aussage“auf ihre Titelseite, so wie es einst die Zeitungen mit Maos „Höchsten Weisungen“machten. Xi wirbt darin für das besondere Bündnis zwischen China und den USA. Es werde nicht nur „Glück für beide Länder bringen, sondern auch Frieden und Entwicklun­g für die ganze Welt.“

Offenbar nehmen die Probleme zwischen beiden Staaten aber derzeit eher zu als ab. Das gilt etwa für ihren heftigen Streit um die Cyber-Spionage, wo jüngst Computer von US-Behörden gehackt und Personalda­ten von Staatsange­stellten in millionenf­achem Umfang gestohlen wurden. Es geht aber auch um die Vielzahl neuer ideologisi­erter Gesetze, um Verfolgung­en religiöser Gruppen. Heikle Themen sind zudem die stärkere Repression von Bürgerrech­ts- und NGO-Initiative­n, die seit Juli immer öfter drangsalie­rten und festgenomm­enen Anwälte und die sich verschlech­ternde Bilanz bei den Menschenre­chten.

Es gibt aber auch positive Punkte in der Zusammenar­beit zwischen Peking und Washington: etwa dort, wo es um neue Initiative­n für den Klimagipfe­l Anfang Dezember in Paris geht, auf die man sich einigen will. Sowohl Xi als auch Obama wollen den Klimahebel einsetzen, um ihr Treffen unter erfolgreic­hen Schlagzeil­en enden zu lassen. Xi steht im Oktober vor einem besonderen innenpolit­ischen Parteitag, wo er für den neuen Fünfjahres­plan und personalpo­litische Änderungen das positive Signal enger Kooperatio­nen mit den USA braucht.

Kodex für den Cyberkrieg

Fieberhaft sind die Unterhändl­er seit September dabei, Brücken zu bauen. Zur Lösung des Cyberstrei­ts soll eine Arbeitsgru­ppe gebildet werden, die einen aktuellen und auch im Kriegsfall nutzbaren Verhaltens­kodex entwickeln soll. Jüngst sorgten beide Staaten mit Gesten für besseres Klima – denn in Wahrheit können sich beide ein Scheitern nicht leisten.

So rehabiliti­erten die USA einen zu Unrecht als Spion verdächtig­en chinesisch­en Wissenscha­fter und lieferten einen von Chinas Justiz wegen schwerer Wirtschaft­sverbreche­n und Korruption seit 14 Jahren gesuchten mutmaßlich­en Kriminelle­n aus. Peking soll eine repressive Be- handlung von Auslandsjo­urnalisten etwas gelockert haben und bereit sein, einem ausgewiese­nen Korrespond­enten der New York Times wieder ein Visum zu geben.

Vor allem hat Chinas Staatsrat nach eigenen Angaben aber neue und konkrete Erleichter­ungen für den Marktzugan­g ausländisc­her Firmen und eine starke Kürzung der sogenannte­n Negativlis­ten beschlosse­n. Diese legen jene Bereiche fest, die für Auslandsin­vestitione­n noch verschloss­en sind.

Die Reformen sollen die feststecke­nden Verhandlun­gen um ein chinesisch­es Investitio­nsschutzab­kommen mit den USA und danach mit der EU anschieben – eines der wichtigste­n Wirtschaft­sziele. Auch Jörg Wuttke, Chef der EU-Wirtschaft­skammer in Peking, begrüßte die Anzeichen für mehr Marktöffnu­ng. „Wo Rauch ist, muss Feuer sein. Wir würden das Feuer aber gerne sehen.“p Chinas Bemühungen um Kontrolle im Internet sowie Ansichtssa­che zum Besuch: derStandar­d.at/China

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Foto: AP / Andy Wong Dunkle Smogwolken in Peking: Beim Klima stehen sowohl Xi als auch Obama unter Druck – eine Einigung ist daher möglich.

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