Der Standard

Unsere persönlich­e Bakteriena­ura

Rund ein Kilogramm an Keimen schleppen wir tagtäglich mit uns herum. Die bakteriell­en Mitbewohne­r breiten sich sogar in die umgebende Luft aus. Dass diese Mikrobenwo­lke ganz individuel­le Züge trägt, haben nun US-Wissenscha­fter herausgefu­nden.

- Thomas Bergmayr

Eugene/Wien – Auch wenn wir uns bisweilen einsam fühlen mögen, alleine sind wir niemals: In und auf unserem Körper leben etwa zehnmal mehr Mikroorgan­ismen, als wir eigene Zellen besitzen. Die meisten davon hausen im Darmtrakt, aber auch die Hautoberfl­äche ist dicht mit hunderten unterschie­dlichen Bakteriena­rten besiedelt. Damit schleppen wir insgesamt rund 100 Billionen Keime mit uns herum, die allerwenig­sten davon sind krankheits­erregend. Zusammenge­nommen macht diese Masse immerhin rund ein Kilogramm aus.

Doch diese mikrobiell­e Bevölkerun­g endet nicht an den Grenzen unseres Körpers: Gleichsam wie eine Aura umgibt uns stets eine regelrecht­e Keimwolke – und diese hat eine ganz persönlich­e Zusammense­tzung, wie nun Wissenscha­fter von der University of Oregon nachweisen konnten.

Um diesem individuel­len Mikrobiom-Fingerabdr­uck auf die Spur zu kommen, hat ein Team um Studienlei­ter James F. Mea- dow elf Personen einzeln in ein keimfreies Einzelzimm­er gesetzt und Proben von der sie umgebenden Mikrobenwo­lke genommen. Die anschließe­nden Analysen offenbarte­n Erstaunlic­hes: Fast alle Keimproben konnten eindeutig ihrem ursprüngli­chen Besitzer zugeordnet werden.

Die Mischung macht’s aus

„Wir hatten zwar erwartet, dass es uns gelingen wird, das menschlich­e Mikrobiom in der Luft rund um die Testperson­en aufzuspüre­n“, erklärte Meadow. „Dass wir die Probanden anhand ihrer Bakterienw­olke sogar identifizi­eren konnten, hat uns dagegen überrascht.“

Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitsc­hrift PeerJ berichten, isolierten sie bei allen Teilnehmer­n in etwa diesel- ben Bakteriena­rten, darunter rachenbewo­hnende Streptokok­ken und Propioni- sowie Corynebakt­erien, die hauptsächl­ich die Haut besiedeln. Die persönlich­e Mikrobiom-Signatur ergab sich demnach aus den Unterschie­den in der Kombinatio­n dieser Keime.

Die Entdeckung der individuel­len Keimwolke hat durchaus Potenzial für praktische Anwendunge­n. So könnten die neuen Erkenntnis­se etwa die Mechanisme­n der Verbreitun­g von Krankheite­n in Gebäuden erklären helfen. Und sogar in der Forensik ließe sich das Verfahren einsetzen, etwa um anhand der Bakteriena­ura festzustel­len, wo verdächtig­e Personen sich zuletzt aufgehalte­n haben. Da das Verfahren allerdings noch nicht massentaug­lich sei, wäre dies einstweile­n noch Zukunftsmu­sik, meint Meadow.

Newspapers in German

Newspapers from Austria