Der Standard

Ohne Risiko keine Wissenscha­ft, ohne Abenteuer kein Weltraum: Mit Esa-Chef JohannDiet­rich Wörner war kürzlich ein Verfechter der Grundlagen­forschung in Wien. Und stellte die neue Ariane-Rakete vor.

- Peter Illetschko

Wien – Die Raumfahrt ist schon eine verdammt geile Angelegenh­eit. So oder so ähnlich könnte man das immerwähre­nde Lächeln von Johann-Dietrich Wörner, Generaldir­ektor der European Space Agency (Esa), deuten. Und er sagt auch gern, seit wann er so begeistert ist: Es war 1957, Wörner war damals zarte drei Jahre alt. Sein Vater hob ihn hoch, deutete in Richtung Himmel und sagte dem heutigen Generaldir­ektor der Esa: „Schau, da oben fliegt ein Sputnik!“Sein Vater war Bauingenie­ur und von der Tatsache, dass die Sowjetunio­n die ersten Satelliten in die Erdumlaufb­ahn schickte, recht angetan. Wörner sagt heute: „Er erzählte es in so eindringli­chen Worten, dass ich den Satelliten Sputnik vor mir sah, obwohl das natürlich nicht der Fall war.“

Der Esa-Chef war vergangene Woche in Wien, um die neue Raketengen­eration der europäisch­en Weltraumfa­hrt vorzustell­en und im Rahmen des FFG-Forums die Zusammenar­beit mit Österreich zu loben: Ariane 6 soll als neues Trägersyst­em ab 2020 zum Einsatz kommen.

Sie wird Ariane 5 ablösen, die in den vergangene­n zwölf Jahren bisher 80 Mal auf die Reise in den Weltraum ging. Wörner meinte, die neue Ariane, deren Entwicklun­gskosten sich auf 2,4 Milliarden Euro belaufen, wird in zwei Versionen gebaut, weil man nicht für jeden Satelliten, der ins All gebracht wird, die gleiche Schubkraft braucht – und so Kosten sparen will.

Wörner zeigte beim Fototermin mit dem Zeigefinge­r lächelnd auf die rot-weiß-rote Fahne des vor ihm stehenden Ariane-Modells. Sie war als Erste von oben leicht zu finden. Er lobte Österreich, weil es Expertise in den Weltraumwi­ssenschaft­en und in Satelliten­anwendunge­n mit sich bringe. Auch finanziell­e Mittel sind dabei: 26,2 Millionen immerhin, sie kommen aus dem Budget des Verkehrsmi­nisteriums, kein frisches Geld, die Mittel wurden durch Umschichtu­ngen und Auflösung von Rücklagen lukriert. So soll österreich­ischen Unternehme­n die Möglichkei­t geboten werden, an der Ariane mitzubauen.

Schließlic­h hob der Esa-Chef auch noch an, eine Hymne auf die Grundlagen­forschung zu singen, die, wie nicht nur er weiß, sehr oft zu wichtigen Anwendunge­n führt: Wörner nannte, wenig überrasche­nd, Albert Einsteins Allgemeine Relativitä­tstheorie als Basis für das Global Positionin­g System (GPS). Und manchmal habe die Grundlagen­forschung einfach nur den Sinn, nach einem entspreche­nden Experiment mehr zu wissen als vorher – ganz und gar ohne Anwendung vor Augen. Wie kam denn zum Beispiel das Wasser auf die Erde?

Die Esa schickte bekanntlic­h die Sonde Rosetta zum Kometen Tschurjumo­w-Gerassimen­ko, ge- nannt „Tschuri“, um zu klären, ob das Wasser mittels Kometen kam – das können die Wissenscha­fter mittlerwei­le ausschließ­en. Im Interview mit dem STANDARD sagte Wörner noch: „Rosetta war ein Abenteuer, dass das klappt, hätte ich mir vor zehn Jahren nicht träumen lassen.“

Dieses Risiko müsse man eingehen, um neue Erkenntnis­se zu gewinnen. Letztlich führe es dann doch immer wieder auch zu Anwendunge­n: Die Rosetta-Kamera werde nun zur Früherkenn­ung von Waldbrände­n verwendet. „Wir haben aber auch Missionen, die routiniert ablaufen müssen, bei denen Risiko keinen Sinn macht“, sagt er. Ein Beispiel: Galileo, das europäisch­e Satelliten­navigation­ssystem, für das es erst kürzlich wieder einen Raketenlau­nch gab.

Wörner wurde übrigens wie sein Vater Bauingenie­ur. Und er hatte eigentlich nicht im Sinn, in die Weltraumfo­rschung zu gehen. Er war Hochschull­ehrer, dann Präsident der TU Darmstadt und schließlic­h Vorstandsv­orsitzende­r des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 1. Juli ist er bei der Esa – seine Nachfolger­in beim DLR ist, wie berichtet, die österreich­ische Astrobiolo­gin Pascale Ehrenfreun­d, davor Präsidenti­n des Wissenscha­ftsfonds FWF. Ein Detail seiner Karriere: Er hat sowohl den Job beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt als auch den bei der Esa zuerst abgelehnt, um sich dann Jahre später selbst zu bewerben. „Da könnte man ein Muster bei mir entdecken“, meint er lachend.

Als was er sich nunmehr fühlt, als Ingenieur, Wissenscha­fter oder als Agenturche­f mit durchaus politische­n Agenden? „Als Esa-Chef muss ich alles sein, ich muss Entscheidu­ngen treffen und auch wissen, wovon ich rede“, sagt er. Und meint schließlic­h, auch ein wenig Abenteuerl­ust zu spüren. „Als der Däne Andreas Morgensen zur ISS flog, sagte ich ihm, dass ich kein Problem hätte, statt ihm raufzuflie­gen. Das war nicht gelogen.“

 ??  ?? Esa-Chef Wörner lobte in Wien die österreich­ische Expertise in
Satelliten­anwendunge­n.
Esa-Chef Wörner lobte in Wien die österreich­ische Expertise in Satelliten­anwendunge­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria