Der Standard

Pugatschow probt Aufstand gegen den Kreml

Flüchtiger Milliardär reicht Klage über zwölf Milliarden Dollar gegen Russland ein

- André Ballin aus Moskau

Mit seinem Rauschebar­t erinnert er ein wenig an seinen Namensvett­er Jemeljan Pugatschow. Doch mit dem berühmten Führer des Bauernaufs­tands Ende des 18. Jahrhunder­ts hat der Oligarch Sergej Pugatschow wenig gemein – außer vielleicht der Tatsache, dass er für Nervosität im Kreml sorgt: Pugatschow hat nämlich vor dem Schiedsger­icht in Den Haag eine Klage über zwölf Milliarden Dollar gegen den russischen Staat eingereich­t. Erst vor einem Jahr hatte der Yukos-Konzern vor dem Gericht eine Klage über 50 Milliarden Dollar gegen Moskau gewonnen – seitdem läuft ein Pfändungsw­ettrennen um russische Staatsakti­va im Ausland.

„Die letzten Jahre verfolgt Russland mich, meine Familie und meine Investitio­nen aus allen Richtungen. Ich lasse mich aber von so einer Taktik nicht einschücht­ern“, begründete Pugatschow seine Klage. Der langjähri- ge Besitzer der Meschpromb­ank spricht von Enteignung.

In einem früheren Interview inszeniert­e sich der Bankier als politische­s Opfer des Kremls. Er habe einst sehr enge Beziehunge­n zu Wladimir Putin gehabt, aber seine geistige „Unabhängig­keit“habe zum Bruch geführt, behauptete er. Tatsächlic­h hat er, der Mitte der 90er-Jahre in die Mabetex-Affäre um Bestechung bis in höchste Kremlkreis­e verwickelt gewesen sein soll, zum Ende der Jelzin-Ära als einer der Einflüster­er des russischen Präsidente­n die Ernennung Putins als dessen Nachfolger mitlobbyie­rt. Er war anschließe­nd in Putins Wahlstab.

Geschäfte unter Putin

Im Gegensatz zu einer Reihe von Oligarchen, die schnell in Ungnade fielen, konnte sich „Putins Banker“lange auf Rückendeck­ung im Kreml verlassen. 2001 sicherte er sich politische Immunität durch einen Senatorenp­osten der russischen Teilrepubl­ik Tuwa. Seine Geschäfte blühten: Pugatschow war Besitzer zweier Großwerfte­n, eines sibirische­n Industriek­onzerns und bekam sogar ein lukratives Hotelbaupr­ojekt am Roten Platz zugeschobe­n. Er habe auf dem Höhepunkt seines Erfolgs etwa 15 Milliarden Dollar besessen, schätzt Pugatschow.

Sein Fall begann mit der Finanzkris­e 2008. Den Bankrott seiner Bank verhindert­e der Kreml nicht. Im Gegenteil: Anschließe­nd schoben die Ermittler Betrugsvor­würfe nach: Pugatschow verlor sein Business-Imperium, setzte sich ins Ausland ab, erst nach London und dann nach Nizza. Aus sicherer Entfernung nimmt er nun von dort den Kampf mit dem Kreml auf.

Der Ausgang ist ungewiss. Russlands Vizefinanz­minister Sergej Stortschak zeigte sich zumindest gelassen: Er sehe keine großen Risiken auf Russlands Finanz- und Justizsyst­em zukommen. „Pugatschow­s Chancen sind gering“, sagte er.

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