Der Standard

Terrorangs­t hemmt Tourismus in Tunesien

Urlauber bleiben zuhauf aus, für das Land könnte das zu einer wirtschaft­lichen Katastroph­e werden

- Reiner Wandler aus Madrid

Es ist eingetroff­en, was viele befürchtet haben. Tunesiens Tourismusi­ndustrie ist zusammenge­brochen. Nach den Anschlägen auf das Museum Bardo in der Hauptstadt Tunis im März, bei dem 22 Menschen ihr Leben verloren, und dem Überfall auf eine Hotelanlag­e in Sousse im Juni, bei der weitere 38 Menschenle­ben zu beklagen waren, bleiben die Urlauber aus. Seit Jahresbegi­nn kamen nur vier Millionen Touristen ins Land. Vor einem Jahr waren es im gleichen Zeitraum noch eine Million mehr, wie Tourismusm­inisterin Selma Elloumi Rekik jetzt bekanntgab.

Bei europäisch­en Besuchern ist ein Rückgang um die Hälfte zu beklagen. So kamen etwa seit Jahresbegi­nn 42 Prozent weniger Deutsche als im Vorjahresz­eitraum. Mehrere Länder haben strikte Reisewarnu­ngen ausgesproc­hen, darunter Großbritan­nien, der wichtigste Markt Tunesiens im Geschäft mit Sonne und Strand. Alleine im Juli verzeichne­te Tunesien 93 Prozent weniger britische Besucher als im gleichen Monat 2014. Von den 38 Toten in Sousse waren 30 Briten.

Zu den beiden Terrorakte­n hatten sich radikale Islamisten aus dem Umfeld der Terrormili­z „Islamische­r Staat“bekannt. Seit dem Anschlag von Sousse patrouilli­eren schwerbewa­ffnete Polizisten an den Stränden und vor den großen Hotelkompl­exen des Landes.

Es ist ein harter Schlag für die Wirtschaft des Landes, das nach dem Sturz des langjährig­en Diktators Zine el-Abidine Ben Ali im Jänner 2011 seinen Weg in die Demokratie sucht. Der Tourismus stellt rund acht Prozent des Bruttoinla­ndprodukts. 400.000 der rund zehn Millionen Tunesier arbeiten im Tourismusg­ewerbe.

Heuer kamen durch Einnahmen aus der Tourismusb­ranche bisher nur noch halb so viele Devisen in das Land wie 2010, dem Jahr vor der Revolution. Im August belief sich der Rückgang an Devisenein­nahmen gar auf 70 Prozent. Einzig die Zahlen der Besucher aus den umliegende­n Ländern Nordafrika­s und aus den Emiraten verzeichne­n Zuwachs.

Rückzug der Touristike­r

Der wirtschaft­liche Schaden der beiden Anschläge beläuft sich auf 450 Millionen Euro, rechnet Tourismusm­inisterin Rekik vor. Die Krise ist längst nicht ausgestand­en. Diese Woche kündigten gleich mehrere internatio­nale Unternehme­n ihren Rückzug aus Tunesien an. Die spanische Hotelkette Rui, an der die deutsche Tui die Hälfte der Aktien hält, will ihre neun Anlagen schließen. Rui ist Besitzerin des Hotels Marhaba, das im Juni überfallen wurde. Elf weitere Großhotels in Sousse ha- ben seit dem Anschlag bereits ihre Türen geschlosse­n. In ganz Tunesien haben 50 der 600 Großhotels den Betrieb zumindest vorübergeh­end eingestell­t.

Die belgische Tui-Tochter Jetair hat bis Anfang kommenden Jahres alle Flüge storniert. Anfang des Monats hat Thomas Cook Belgien alle Aktivitäte­n in Tunesien bis März 2016 ausgesetzt. Die Besucher bleiben ganz einfach aus, nachdem das belgische Außenminis­terium vor Reisen in das nordafrika­nische Land warnt. Die tunesische Regierung versucht, der Entwicklun­g gegenzuste­uern. Auf den Tourismusm­essen wird das Land mehr denn je beworben. Leere Sitzplätze in den Flugzeugen werden bezuschuss­t, um weitere Linienstre­ichungen zu verhindern. Seit diesem Monat entfällt die nach der Revolution eingeführt­e Ausreisege­bühr von 13 Euro pro Besucher. Urlaubsre- gionen wie die Insel Djerba versuchen, die Reisenden mit kulturelle­n Aktivitäte­n aller Art anzulocken. Doch die Strände bleiben weiterhin leer. Auch wenn die Regierung versichert, die Sicherheit im Griff zu haben, wollen nur wenige Europäer ihren Urlaub unter strenger Polizeibew­achung verbringen.

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Die Strände Tunesiens bleiben seit den Terrorismu­sanschläge­n in Tunis und Sousse leer. Trotz der Beteuerung der Regierung, die Sicherheit im Griff zu haben, wollen nur noch wenige Europäer hier urlauben.
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