Der Standard

Wieso den Österreich­ern nichts im Börserl bleibt

Österreich steht vor einem verlorenen Jahrzehnt. Die Einkommen wachsen im Schnitt nicht nur nicht, sie sind sogar am Schrumpfen. Dafür sorgt ein giftiger Cocktail aus hoher Abgabenquo­te, rasch steigenden Preisen und schwächeln­der Wirtschaft.

- Andreas Sator

ANALYSE: Wien – Es war die nächste schlechte Nachricht, als hätten die Schlagzeil­en von der Rekordarbe­itslosigke­it und der anhaltende­n Wirtschaft­sflaute noch nicht gereicht. Der durchschni­ttliche Österreich­er hat heute weniger im Börserl als noch vor acht Jahren, vermeldete die OECD vergangene Woche. Genauer: Das verfügbare Einkommen pro Kopf, dabei sind Steuern schon abgezogen und Sozialleis­tungen dazugerech­net, war 2014 um zwei Prozent niedriger als noch 2007.

Nur die Eurokrisen­länder und Slowenien stehen unter allen OECD-Ländern, von denen es Daten gibt, noch schlechter da. Das ist ungewöhnli­ch, denn in den meisten entwickelt­en Volkswirts­chaften steigen die Einkommen jedes Jahr ein bisschen, weil Arbeitnehm­er und Firmen produktive­r werden. Und selbst wenn viele Menschen subjektiv nichts davon merken – auch in Österreich ging es vielen lange Zeit immer besser.

So sind die Löhne pro Kopf auch in der Krise gestiegen. Ein mittlerer Vollzeitjo­b hat 2007 noch 2350 Euro brutto abgeworfen, 2013 waren es schon 2700 Euro, wie aus dem Sozialberi­cht hervorgeht. Die Wirtschaft wächst zwar schwach, aber sie wächst. Seit 2007 um vier Prozent.

Ein zweiter Blick auf die Daten zeigt aber: Das wirkliche Wachstum ist noch kleiner, als es zunächst scheint. Denn im Vergleich zu 2007 leben heute 250.000 Menschen mehr im Land. Die meisten Zuwanderer sind jung und arbeiten. Von den vier Prozent, die die Wirtschaft­sleistung seither zugelegt hat, bleibt pro Kopf nur mehr ein mickriges Prozent übrig, wie eine Auswertung des Instituts für Höhere Studien für den STANDARD zeigt.

Der Staat nascht mit

Und auch das eine Prozent, um das die Wirtschaft­sleistung in acht Jahren gestiegen ist, kommt in der Geldbörse der Menschen nicht an. Von dem Anstieg der Bruttoeink­ommen bleibt unter dem Strich nichts übrig. Dafür sorgt der Staat, die Abgabenquo­te ist seit 2007 um 2,4 Prozentpun­kte gestiegen. Das sind immerhin knapp acht Milliarden mehr, die an den Staat gehen. Der öffentlich­e Konsum ist in den vergangene­n acht Jahren doppelt so stark gestiegen wie der private. Außerdem haben ausländisc­he Firmen und Pendler das Bruttoinla­ndsprodukt zuletzt etwas aufgebläht, Gewinne und Löhne flossen teilweise ins Ausland.

Nebenbei ist in Österreich auch noch die Inflation deutlich höher als anderswo, zeitweise lag sie mehr als ein Prozent über der in Deutschlan­d. Das liegt ebenfalls teilweise am Staatssekt­or, der die Gebühren erhöht hat, doch genauso an mangelndem Wettbewerb bei den Unternehme­n, so die OECD.

Dazu kommt dann noch die schwache Entwicklun­g der Produktivi­tät, sie ist im Vorjahr sogar gesunken, sagt Christian Helmenstei­n von der Industriel­lenvereini­gung (IV) zum STANDARD. Das ist unter anderem dadurch bedingt, dass Unternehme­n kaum investiere­n, obwohl die Zinsen am Boden sind. Die Stimmung ist schlecht, das zeigen Umfragen der EU-Kommission, vor allem im Bau und der Industrie ist man unzufriede­n.

Solange die Produktivi­tät nicht steigt, bleibt aber auch bei den Einkommen kein Spielraum. Die Steuerrefo­rm sollte im kommenden Jahr wieder mehr Geld im Börserl lassen, sagt Thomas Leoni vom Wifo. „Zumindest für das eine Jahr.“Mittelfris­tig müssen Unternehme­n aber wieder investiere­n, das treibt dann die Produktivi­tät an und schafft Jobs. „Dort liegt der Schlüssel“, sagt IV-Chefökonom Helmenstei­n.

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