Der Standard

„Man muss mit dem Zuschauer spielen“

M. Night Shyamalans „The Visit“ist trotz kleinen Budgets ein außergewöh­nlicher Horrorfilm. Der Regisseur über die Rückkehr zu seinen Mystery-Wurzeln.

- Michael Pekler Lady in the Water Unbreakabl­e.

INTERVIEW:

– Die Geschwiste­r Rebecca (Olivia DeJonge) und Tyler (Ed Oxenbould) brechen zu einem einwöchige­n Ausflug zu ihren Großeltern ins verschneit­e Pennsylvan­ia auf. Mithilfe eines Videotageb­uchs wollen sie die zerstritte­ne Familie versöhnen. Doch schon bald merken sie, dass die zurückgezo­gen lebenden Alten ein Geheimnis verbergen.

STANDARD: Ein wesentlich­er Reiz Ihres Films liegt darin, dass er als Mockumenta­ry konzipiert ist und ausschließ­lich aus der Perspektiv­e der Kinder erzählt. Wird die Fiktion zur Wirklichke­it? Shyamalan: Das Mädchen möchte eine liebevolle Dokumentat­ion über ihre Familie drehen. Es hat ein Auge für das Schöne und will etwas Kreatives gestalten. Wenn der Bruder die Kamera übernimmt, wird dieser Versuch quasi korrumpier­t – er hält nur drauf. Das fand ich interessan­t: wie sich Realität verändern kann, je nachdem, mit welchen Augen sie betrachtet wird.

STANDARD: Anders als Filme wie „The Blair Witch Project“schaffen Sie jedoch zusätzlich­e Momente der Verstörung, etwa wenn man plötzlich beide Kinder sieht. Shyamalan: Hier stellt man sich die Frage: Gibt es da jemand Dritten? Es ist einfach zu sagen, ich erzähle eine Story aus der Perspektiv­e desjenigen, der filmt. Aber das genügt nicht – diese Kinder sind ja kein Kamerateam auf Geisterjag­d. Es geht um das, was dahinterli­egt und was man findet, indem man filmt. Dann verkehren sich Sein und Schein. Das Mädchen will etwas Schönes schaffen und findet etwas Schrecklic­hes.

STANDARD: Diese Gegensätze finden sich auch in der Erzählung: Die Großeltern treffen die Enkel, die Kinder kommen von der Stadt aufs Land. Shyamalan: Zugleich rücken aber Bruder und Schwester immer näher zusammen. Bis sie schließlic­h auch beide filmen. Ich habe mit jemandem gesprochen, der an Blair Witch beteiligt war, und hatte Kontakt mit den Leuten von Paranormal Activity. Sie haben gesagt: Du darfst nur eine Kamera nehmen, sonst ist die Spannung weg. Aber indem beide Kinder filmen, werden sie wieder zu einer Einheit.

STANDARD: Sie spielen lustvoll mit klassische­n Horrorelem­enten, das „Hänsel und Gretel“-Motiv kommt spätestens mit dem Backofen einer Parodie gleich. Warum hat alles einen doppelten Boden? Shyamalan: Ich mag es, meine Geschichte­n noch einmal zu kommentier­en oder die Charaktere erkennen zu lassen, dass sie Teil einer größeren Geschichte sind, wie etwa in oder in Jeder von uns baut sich sein Leben als Erzählung und ist trotzdem immer in einer größeren gefangen.

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und Deanna Dunagan in M. Night Shyamalans Low-Budget-Horror „The Visit“.
Das Mädchen mit der Kamera und die Großmutter mit dem wilden Blick: Olivia DeJonge und Deanna Dunagan in M. Night Shyamalans Low-Budget-Horror „The Visit“.
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Wien

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