Der Standard

Sprachkris­en in Sandstürme­n

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Wenn es „das Fremde“geben soll, dann muss es auch „das Bekannte“geben. Was aber ist dieses Heimische, das Eigene, das das Abend- vom Morgenland abgrenzt?

Diese Frage stellen sich drei Archäologe­n auf der Bühne des Theaters Drachengas­se. Sie wollen in einer nicht näher bestimmten Wüste ein Relikt finden, das den Ursprung des Westens darstellen soll. Nur: Schon der Weg zum Ausgrabung­sort ist in dem Stück Abendsand beschwerli­ch. Die Gruppe stolpert über Sprachkris­en und Identitäts­illusionen, gerät in Sandstürme und flegelt sich über schwierige­n Entscheidu­ngen an. Als die von Anna-Sophie Fritz, Florian Haslinger und Johanna Wolf Gespielten schließlic­h doch ankommen und ein Objekt ausbuddeln, scheitern dann auch noch alle Übersetzun­gsversuche, und die Bedeutung des Begriffs „Abendland“kommt ihnen vollends abhanden.

Mit der Uraufführu­ng gelingt dem Team um Regisseuri­n Milena Michalek ein zeitweise sehr komischer, schön absurder Abend. Die Zuseher dürfen AngelaMerk­el-Zitate vernehmen und allerhand Versuchen beiwohnen, die Wurzeln des Westens zu bestimmen. Unter anderem wird in individuel­ler Monotonie zu Neujahrsko­nzertmusik getanzt – über mindestens zehn Minuten, die Schauspiel­er wie Publikum fordern. Einsame Tänze bis zur Erschöpfun­g: Diese Einlage kommt dem gegenwärti­gen Zustand des Abendlande­s erschrecke­nd nahe. (kf) Theater Drachengas­se, bis 3. 10., 20.00

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