Historisch, aber enttäuschend
Möglicherweise gilt die Visite von Papst Franziskus in Havanna bald als historisch; dann, wenn nach fünfeinhalb Jahrzehnten die US-Sanktionen aufgehoben werden – nicht zuletzt auf seine Vermittlung hin. Für dieses Ziel war Jorge Mario Bergoglio bereit, einen hohen Preis zu zahlen: Er sprach die nach wie vor kritische Situation der Menschenrechte in dem Karibikstaat mit keinem Wort an – zumindest nicht offiziell.
Auch wenn es längst unüblich ist, auf die Bibel zu verweisen: Im Falle der Kirche darf man ruhig an die Bergpredigt Jesu erinnern. „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“, schreibt Evangelist Matthäus. Franziskus hat weder ja noch nein gesagt, sondern gar nichts. Warum? Weil er in Kuba nicht als politische, sondern als religiöse Person auftrat? Wohl kaum, dann hätte er auch nicht vehement und richtigerweise Frieden zwischen Kolumbien und den Farc-Rebellen einfordern dürfen.
Vielleicht wollte er sich auf eine neutrale Vermittlerposition zwischen Havanna und Washington begeben? Mag sein, doch ein Blick zurück um 30, 35 Jahre zeigt, dass sein polnischer Vorvorgänger Johannes Paul II. in den damaligen Ländern des Ostblocks mehr Mut und nicht so viel Rücksicht an den Tag legte – und vielleicht gerade auf diese Weise mitgeholfen haben könnte, einen Wandel (mit)zubewirken. Unter diesem Aspekt waren Franziskus’ Reise nach Kuba und sein Treffen mit Fidel Castro enttäuschend.