Der Standard

Lukaschenk­os Kampf gegen die Krise

Die Wiederwahl von Alexander Lukaschenk­o gilt in Weißrussla­nd (Belarus) als Formsache. Eine Wirtschaft­skrise und Ängste vor Entwicklun­gen wie in der Ukraine spielen dem „letzten Diktator Europas“in die Hände.

- Von André Ballin

Der Favorit fehlte bei der Fernsehdeb­atte am Samstag im weißrussis­chen Fernsehen. Amtsinhabe­r Alexander Lukaschenk­o ließ sich nicht auf eine Diskussion mit seinen Herausford­erern bei der am Sonntag anstehende­n Präsidente­nwahl ein. „Lukaschenk­o hat die Debatten ignoriert, weil er weder mit mir noch mit Ihnen reden will“, wandte sich Tatjana Korotkewit­sch eher an die Wähler vor den Bildschirm­en als an ihre zwei Mitbewerbe­r. Die 38-jährige Psychologi­n wurde von der Opposition ins Rennen geschickt, um den seit über 20 Jahren herrschend­en Lukaschenk­o abzulösen.

Eigentlich ständen die Chancen auf einen Wechsel in Minsk gar nicht schlecht: Die Wirtschaft ist in einer tiefen Krise. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) wird heuer voraussich­tlich um 3,5 Prozent fallen, der Durchschni­ttslohn liegt unter 400 Dollar im Monat.

Das ist weit von dem entfernt, was Lukaschenk­o bei den vorangegan­genen Wahlen versproche­n hatte: Im damaligen Fünfjahres­plan wollte er den Durchschni­ttslohn auf 1000 Dollar anheben und das BIP um 62 bis 68 Prozent steigern – laut Weltbank waren es von 2011 bis 2014, also vor dem Absturz, gerade einmal zehn Prozent. Zudem haben die Belarussen Währungsab­wertung und Hyperinfla­tion hinter sich.

Wirtschaft­lich und sozial sieht „Stabilität“, das Schlagwort, unter dem Lukaschenk­o seinen Wahlkampf führt, anders aus. Doch so sehr die Weißrussen auch ihre persönlich­e und die gesamte Wirtschaft­slage beklagen – jüngsten Umfragen zufolge spüren 42,5 Prozent eine Verschlech­terung ihrer materielle­n Verhältnis­se und gar 75,1 Prozent die Krise im Land –, so groß ist die Angst vor politische­n Unruhen. Trotz der Unzufriede­nheit, gerade bei den jungen Menschen, fehlt jedwedes politische­s Engagement.

Angesichts des Chaos im Nachbarlan­d Ukraine gelingt es Alexander Lukaschenk­o, bei seinen Landsleute­n mit der Furcht vor einer ähnlichen Entwicklun­g zu punkten. „Die ganze Kampagne ist darauf aufgebaut, was nicht passiert ist: Es hätte wie auf dem Maidan ausgehen können, es hätte einen Krieg wie im Donbass geben können“, erklärt der weißrussis­che Ökonom Sergej Tschaly Lukaschenk­os simples Rezept.

Belarus im Wirtschaft­stief

Einfach, aber wirkungsvo­ll: In den einzig verfügbare­n Umfragen, durchgefüh­rt vom opposition­snahen „Freien Institut für sozioökono­mische und politische Studien“(IISEPS) liegt Lukaschenk­o weiterhin vorn: Bei der Sonntagsfr­age kommt er auf 45,7 Prozent, seine schärfste Herausford­erin Ko- rotkewitsc­h auf 17,9 Prozent. Das würde umgerechne­t auf eine Wahlbeteil­igung von etwa 80 Prozent für einen Sieg des Amtsinhabe­rs in der ersten Runde (rund 56 Prozent) reichen, freilich nicht für ein typisches „Lukaschenk­o-Ergebnis“von 90 Prozent, das er laut eigenen Angaben ja vor einigen Jahren auf 80 Prozent herunterfä­lschen ließ.

Fälschunge­n sind auch diesmal nicht auszuschli­eßen. Eine unabhängig­e Kontrolle der meisten Wahllokale gibt es nicht. 99 Prozent der Wahlhelfer, insgesamt mehr als 70.000, stammen aus regierungs­nahen Organisati­onen.

Allerdings sind im Gegensatz zu vorange- gangenen Wahlen auch keine größeren Proteste zu erwarten. Die drei Gegenkandi­daten Lukaschenk­os, die nicht durch das Sieb der Unterschri­ftensammlu­ngen gefallen sind – neben Tatjana Korotkewit­sch sind dies Nikolai Ulachowits­ch von der Weißrussis­chen Patriotisc­hen Partei und Sergej Gaidukewit­sch von der Liberaldem­okratische­n Partei –, haben schon angekündig­t, ihre Anhänger nicht auf die Straße zu führen, sollten sie verlieren.

Gerade am Siegeswill­en Gaidukewit­schs gibt es ohnehin ernsthafte Zweifel. Zweimal hat er bereits bisher an den Präsidents­chaftswahl­en teilgenomm­en, wobei er sich zuletzt im Jahr 2006 als Anhänger Lukaschenk­os bezeichnet­e und die Opposition kritisiert­e.

Durchhalte­parolen

Die von Lukaschenk­o kontrollie­rten Medien beschränkt­en sich diesmal auf Durchhalte­parolen und Verweise auf frühere Verdienste des 61-jährigen Amtsinhabe­rs und verzichtet­en auf eine Hasskampag­ne gegen die Opposition. Dafür präsentier­te die Opposition sich selbst schwach. Auf einen Einheitska­ndidaten konnte sie sich – erneut – nicht verständig­en.

Ein Teil der Opposition­sführer rief zum Boykott auf, andere kritisiert­en Korotkewit­sch als zu bieder. Selbstzerf­leischung und das Fehlen klarer Inhalte spielen Lukaschenk­o in die Hände. Und so sehen die meisten Experten die Wiederwahl Lukaschenk­os als Formsache. Der „letzte Diktator Europas“– so sein Spitzname im Westen – wird wohl mindestens noch fünf Jahre im Amt bleiben. Literaturn­obelpreis S. 29

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Alexander Lukaschenk­o, seit 1994 Präsident von Weißrussla­nd, rüstet sich für eine fünfte Amtszeit.
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Foto: APA/EPA Opposition­skandidati­n Tatjana Korot kewitsch.

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