„Verrückte“Idee für Wachstum
Neue Studie plädiert für Steuerautonomie der Länder
Wien – Der Initiator will die Lust am Tabubruch nicht verhehlen. Er sei am besten Weg, „öffentlich für verrückt erklärt zu werden“, scherzt Franz Schellhorn, Leiter der Agenda Austria. In einer neuen Studie plädiert der wirtschaftsliberale Thinktank für eine Idee, die anderen Fachleuten die Haare zu Berge stehen lässt: mehr Macht für die Bundesländer.
Dabei ist Schellhorns Problemanalyse durchaus konsensfähig. „Einnahmenzentralismus plus Ausgabenföderalismus“österreichischer Prägung – vereinfacht: der Bund zieht das Steuergeld ein, die Länder geben es aus – sei die teuerste Form der Verwaltung, kritisiert er. Am Gegenrezept jedoch scheiden sich, bei der Bundesregierung angefangen, die Geister: Immer mehr ÖVP-Politiker wollen den Ländern erlauben, selbst nennenswerte Steuern einzuheben, die SPÖ sagt fast einheitlich Nein.
Wie so eine Steuerautonomie funktionieren könnte, haben Christian Keuschnigg von der Uni St. Gallen und Simon Lorenz vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf dem Papier durchgespielt.
Bürger und Firmen locken
Für die Verländerung empfehlen sie Lohn- und Einkommenssteuer sowie die Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne: Der Bund solle seine Einnahmen aus diesen Titeln senken, damit die Länder einen Zuschlag im gleichen Ausmaß einheben könnten; ein Finanzausgleich müsse dabei für eine faire Ausgangsposition sorgen. In der Folge könnten die Länder dann die Steuersätze verändern, um auf regionale Be- dürfnisse einzugehen, Bürger und Unternehmer anzulocken.
Dieser Wettbewerb um die attraktivsten Tarife werde zum Sparen anstiften, ist Keuschnigg überzeugt – zum allgemeinen Vorteil: Seine Studie verheißt Steuersenkungen von im Schnitt 1,5 Prozent und einen Wachstumssprung von 1,7 Prozent. Jedoch betont der Autor selbst, dass es sich dabei um eine variable Simulation handle, die man auch in vielen anderen Varianten rechnen könne.
Dementsprechend umstritten sind derartige Projektionen. Markus Marterbauer, wirtschaftswissenschaftlicher Leiter der Arbeiterkammer, erwartet etwa ganz andere Folgen. Abgesehen vom Aufwand für überregionale Unternehmen, die Löhne plötzlich nach verschiedenen Tarifen abrechnen müssten, fürchtet er einen Teufelskreis für die ärmeren Länder. Diese könnten im Steuerwettbewerb nur konkurrieren, wenn sie im Gegenzug Ausgaben zurückfahren – wodurch ihre Infrastruktur nur noch mehr leiden werde.
Keuschniggs Gegenargumente: Die Republik solle trotz Steuerautonomie ja nicht auf einen „solidarischen“Finanzausgleich verzichten, bei dem Wohlstandsgefälle ausgeglichen werden. Nur wäre diese Umverteilung, wie sie bis Ende 2016 neu ausverhandelt werden muss, im Gegensatz zur aktuellen Praxis nachvollziehbar.
Während eine Stadt wie Wien viele andere Standortvorteile habe, könnten günstige Steuern gerade kleinen Ländern als Lockmittel dienen, sagt Keuschnigg: Denn höchsten Wachstumssprung verheißt die Studie mit vier Prozent denn auch dem Burgenland.