Der Standard

Frauen als große Söhne

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Anfangs kam ich mir in der Metropole Melbourne rüpelhaft vor, unabsichtl­ich natürlich. Grund: Der Linksverke­hr wirkt sich auf das gesamte Dasein aus. Rolltreppe: links stehen – rechts überholen. Auf dem Gehweg: nach links ausweichen, nicht nach rechts. Als Beifahrer: zur linken Autotür gehen, nicht zielsicher die rechte ansteuern.

Nach einigen Wochen ist man aber beinahe perfekt integriert, und auch die enorme Freundlich­keit der Australier lässt einen nur mehr selten zusammenfa­hren. Eher bekommt man den Eindruck, als Österreich­er ein ungemütlic­her Zeitgenoss­e zu sein. Das Problem liegt allerdings nicht in der Grantlerme­ntalität, sondern am nichtmutte­rsprachlic­hen Englisch. Da klingt halt manches ein bisserl forsch – und ein schlichtes Danke grenzt beinahe an eine Beleidigun­g.

Denn hier wird das Bitteund Danke-Sagen fast wie ein Ritual mit einer winzigen 7/8Verbeugun­g praktizier­t. Um etwas Abwechslun­g in die Konversati­on zu bringen, greift der Australier gerne auf ein frohlocken­des „cheers“zurück. Meine Wenigkeit wieder einmal verdattert, da niemand ein Glas zum Zuprosten in der Hand hält, doch mittlerwei­le ist auch mir klar, dass cheers nicht immer eine Aufforderu­ng zum Trinken ist. Auch „see you later“bedeutet nicht zwangsläuf­ig, dass man sich später wirklich wiedersieh­t.

Nichtsdest­otrotz haben mir diese winzigen Sprachdiff­erenzen schon viele Lacher beschert. Man nimmt es einfach nicht so genau hier: Jeder ist jedermanns „mate“oder „man“, auch als Frau bekommt man ein „thanks man“zu hören. Der Genderwahn­sinn scheint Australien noch nicht erreicht zu haben, und somit können sich auch Frauen zu den großen Söhnen zählen. (kop)

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