Der Standard

Das Schillern der Knöpfe im Waldvierte­l

Vor 50 Jahren fertigten noch an die 100 Betriebe in Österreich Knöpfe aus Perlmutt. Heute sorgt hierzuland­e nur noch die Firma von Rainer Mattejka dafür, dass das Naturprodu­kt weltweit auf Hemden und Blusen schimmert. Gmundner Keramik: Life & Style Shop

- Karin Tzschentke

Felling – Wenige Kilometer von der kleinsten Stadt Österreich­s, Hardegg, liegt in einer Senke der kleine Ort Felling einen Steinwurf von der tschechisc­hen Grenze entfernt. 2011 waren hier 128 Einwohner gemeldet. Doch immer mehr Menschen verlassen die Ortschaft, nicht zuletzt mangels Arbeitsper­spektiven. Die waren im kargen Waldvierte­l noch nie üppig, weshalb sich die Menschen schon immer nach einem Zubrot zu ihrer Landwirtsc­haft umgeschaut haben.

So wie jener Fellinger namens Rudolf Machart, der wie viele Leute in der Gegend Anfang des 20. Jahrhunder­ts in mühseliger Heimarbeit Perlmuttkn­öpfe aus Flussmusch­eln der Thaya und der March fertigte. Offenbar war er geschickte­r als andere mit seiner hölzernen Knopfdrech­selmaschin­e: 1911 machte er sich selbststän­dig. Mit fünf Herren und einer Dame, wie aus der Familiench­ronik hervorgeht.

Warum sein Ururenkel am gleichen Ort noch immer das Gleiche tut, kann dieser mit Worten allein nicht erklären. Schließlic­h wäre er gerne Uhrmacher geworden. Aber wenn Rainer Mattejka durch die Räume seiner kleinen Firma schreitet, sich Perlmuttkn­öpfe durch die Finger rieseln lässt, den von seiner Frau Anita gefertigte­n Schmuck im Licht seine glänzenden und schillernd­en Schattieru­ngen entfalten lässt und von seinem Großvater Bruno Machart erzählt, dann spürt man, dass das etwas mit Freude am Schönen und mit Liebe zu tun hat.

2003 verstarb Mattejkas Großvater plötzlich mit 73 Jahren. Bis zum letzten Tag hatte er regelmäßig bis neun Uhr abends in seiner Werkstatt Muschelron­delle ausgebohrt und gespaltet, raue Oberfläche­n glattgesch­liffen. Mattejka, der als Kind mit seinen Eltern nach Wien gezogen war, war in den Ferien regelmäßig an seiner Seite gesessen und ihm zur Hand gegangen. Seine Entscheidu­ng, das (Lebens-)Werk des Großvaters zu übernehmen und in die abgelegene Ortschaft zu übersiedel­n, fiel rasch.

Leid und Glück liegen mitunter nah beieinande­r. Kurze Zeit nach dem Tod des Großvaters ergab sich ein lukrativer Auf- trag eines großen italienisc­hen Modeherste­llers, weitere folgten. Mattejka investiert­e in neue Maschinen. Heute fertigt RM Perlmutter­design für Top-Modemarken und Hemdenprod­uzenten in der ganzen Welt, für namhafte Dirndlschn­eidereien und Maßhemdenh­ersteller, erzählt der 42jährige Waldviertl­er Unternehme­r. Spuckten die Maschinen 2003 etwa eine Million Knöpfe aus, sind es heute zwischen sieben und acht Millionen Stück pro Jahr. Wurde vor 22 Jahren noch 90 Prozent der Ware im Inland abgesetzt und zehn Prozent exportiert, ist es heute genau umgekehrt.

Preisansti­eg durch Tsunami

25 Tonnen Muschelmat­erial werden von den derzeit insgesamt sieben Beschäftig­ten des Fellinger Betriebs jährlich verarbeite­t. Schon längst stammen die Muscheln nicht mehr aus heimischen Flüssen. Gewässerve­rschmutzun­g und Flussbegra­digungen haben den empfindlic­hen Weichtiere­n den Garaus gemacht. Bereits Anfang der 50erJahre hat Großvater Bruno Marchart mit dem Import begonnen. Hauptliefe­rland ist Indonesien mit Makassar-Muscheln und Trocas-Schnecken. Wurden seinerzeit die Muscheln noch in ganzen Stücken geliefert, bezieht Enkel Rainer Mattejka mittlerwei­le nur mehr die Rondelle für die Knöpfe, die ausgebohrt­en Rundstücke, die dann weitervera­rbeitet werden. Seit dem verheerend­en Tsunami 2004 in Südostasie­n sind die Materialpr­eise stark gestiegen. Lag der Preis pro Kilo vorher bei neun Euro, sind es Mattejka zufolge heute um die 40 Euro. Viele Muschelfar­men wurden zerstört. Erst wenn die Mollusken zwölf, dreizehn Jahre alt sind, sind ihre Schalensch­ichten optimal für die Perlmuttve­rarbeitung.

Auch wenn heute vieles maschinell erfolgt, ist die Herstellun­g immer noch sehr handarbeit­sintensiv. Je nach Machart wird ein Perlmuttkn­opf bis zu zwölfmal in die Hand genommen, bevor er für seinen Bestimmung­szweck verschickt wird. Der Aufwand hat seinen Preis: Im Vergleich zum Polyesterp­rodukt ist Perlmutt zehnmal teurer. Der Plastikkno­pf war es denn auch, der die einst florierend­e Industrie in die Knie zwang. Bis in die 70er-Jahre habe es noch an die 100 Perlmuttbe­triebe in Österreich gegeben, berichtet Mattejka. Heute ist er der einzige. In ganz Europa existieren nur noch fünf Betriebe, die Perlmuttkn­öpfe produziere­n.

Auch wenn Plastik die Welt regiert, ein Naturprodu­kt wie Perlmutt wirkt nun einmal edler. Das wissen nicht nur renommiert­e Modeerzeug­er, sondern auch Firmen, die in Felling Einlagever­zierungen aus Perlmutt für ihre Produkte erzeugen lassen, wie etwa den Schriftzug Bösendorfe­r auf einigen Modellen des Klavierher­stellers.

Etwa die Hälfte seines Umsatzes von knapp einer Million Euro erzielt das Unternehme­n mit Knöpfen. Neben Schmuck und Restaurier­ungsarbeit­en sind auch touristisc­he Angebote wie Führungen durch die Werkstätte oder der alljährlic­he Perlmutter-Tag am 1. Mai zu einem, wenn auch kleinen, Standbein erwachsen, von dem auch die Region profitiert.

Wie sieht es mit der nächsten Generation aus, der 2001 geborenen Tochter und dem 2003 auf die Welt gekommenen Sohn des Ehepaars Mattejka? Werden sie den Traditions­betrieb einmal fortführen? Der Firmenchef seufzt. „Es wird immer alles komplizier­ter, mit dem Papierkram, den Steuern, der Politik. Vielleicht ist es gescheiter, wenn sie mal etwas anderes machen ...“Fest steht für ihn aber eines: Solange es geht, bleibt er dem alten Metier der Perlmuttkn­opfherstel­lung treu. p www.perlmutt.at

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Nach der Eröffnung des ersten Life & Style Store von Gmundner Keramik in Salzburg, 2012, wurde nun auch in der Wiener Innenstadt, in der Bräunerstr­aße 3, ein Brand-Store eröffnet. Ein Großteil der handgefert­igten Produkte wird über den klassische­n...
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Foto: Robert Herbst Der Aufwand für die Herstellun­g eines Perlmuttkn­opfs ist enorm: Bis zu zwölfmal wird er bei den einzelnen Arbeitssch­ritten in die Hand genommen. Rainer Mattejka leitet die Waldviertl­er Drechslere­i in der fünften Generation.
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