Der Standard

„Organisier­te Kriminalit­ät muss debattiert werden“

Geldwäsche, Zinsmanipu­lation, Korruption: Die Deutsche Bank hat zig Verfahren am Hals: Buchautor Wolfgang Hetzer hinterfrag­t Mafiastruk­turen im Allgemeine­n und fordert ein Unternehme­nsstrafrec­ht.

- Sigrid Schamall

INTERVIEW:

STANDARD: Der Titel Ihres Buches ist provokant: „Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigun­g?“Hetzer: Die Deutsche Bank hat mit ihrem Verhalten, vielfach Anlässe gegeben, diese Frage überhaupt zu stellen. Das ist das Beunruhige­nde. Was die Bank an Unrecht getan hat, wurde mit bislang zehn Milliarden Euro sanktionie­rt. Die Rückstellu­ngen liegen bei etwa fünf Milliarden. Immer noch nicht ausreichen­d, denn sie ist in 6000 bis 7000 Rechtsstre­itigkeiten verwickelt.

STANDARD: Rütteln die Machenscha­ften der Bank nicht am Image Deutschlan­ds, wie das derzeit in der VW-Affäre herbeigere­det wird? Hetzer: Die Reputation der Deutschen Bank ist in der gesamten Finanzbran­che wie auch bei den Kunden stark angepatzt. Da gibt es fragwürdig­e Aktivitäte­n, mehrfachen Rechtsbruc­h und Geschäftsm­odelle wie etwa im Hypotheken­bereich, die gewaltige Verluste verursacht haben. Die Bank hat den Liborzinss­atz manipulier­t, was in meinen Augen eine Todsünde ist. Was der Liborzinss­atz für die Finanzbran­che ist, sind die Abgaswerte in der Automobili­ndustrie. Es ist absurd, dass gerade die Deutsche Bank dieser Tage VW eine merkwürdig­e Unternehme­nskultur vorhält, Recht zu missachten und systematis­ch gelogen und betrogen zu haben. Ausgerechn­et die Deutsche Bank sagt so etwas, die Bank die selbst betrügeris­ch und kriminell agiert.

STANDARD: Bei Ihrer Definition von organisier­ter Kriminalit­ät nennen Sie als eines der Kriterien für den Sachverhal­t die „Verwertung der Beute“. Hetzer: Es ist rechtmäßig natürlich für einen Autor nicht zulässig, zu sagen, die Deutsche Bank sei eine Mafiaverei­nigung. Genauso wenig ist es zulässig, zu sagen, die Deutsche Bank sei das Zentrum organisier­ter Kriminalit­ät. Das birgt Risiken. Die Deutsche Bank würde sich mit allen Mitteln – und die sind alles andere als gering – wehren. Wenn man sich aber ansieht, was laut deutschem Strafgeset­zbuch eine kriminelle Vereinigun­g ist, stellt sich natürlich die Frage, ob und wie weit sich die Deutsche Bank davon unterschei­det. Hier wurden über Jahre hinweg Geschäftsm­odelle mittels qualifizie­rter Techniken aufgesetzt, wohl wissend, dass die Kunden daran Schaden nehmen. Also wenn die Deutsche Bank schon keine organisier­te Kriminalit­ät repräsenti­ert, was repräsenti­ert sie dann? Wenn die Deutsche Bank nicht von gemeingefä­hrlichen Gewohnheit­sverbreche­rn und Versagern geführt worden sein sollte, wer hat sie dann geleitet, dass sie in diese Situation gekommen ist? Diese Debatte muss geführt werden.

STANDARD: Sie sprechen im Buch von „Subkulture­n, deren kriminelle Energie und Schadenstr­ächtigkeit das Leistungss­pektrum jedwede Mafiaorgan­isation bei Weitem übertreffe­n“. Hetzer: Vom konvention­ellen Bild der Mafia haben wir doch ein recht naives Verständni­s: Da werden Dinge wie Rauschgift assoziiert, Rocker oder Rotlicht. Das sind von den planerisch­en Voraussetz­ungen her die primitiven Formen der Kriminalit­ät. Komplexer ist es, mit höchsten Kreisen zusammenzu­arbeiten, wenn große Summen Geld und Korruption ins Spiel kommen. Eine besondere Art der Erpressung ist, so wichtig und erfolgreic­h zu werden, dass es unvorstell­bar ist, melodramat­isch gesagt, ein Todesurtei­l über die Deutsche Bank zu verhängen. Too big to fail, wie es so schön heißt. Geldwäsche ist das Herzstück der organisier­ten Kriminalit­ät. Die jüngsten Vorwürfe betreffen ein Volumen von sechs Milliarden Dollar – und das ist nicht das letzte Wort. Dazu kommen möglicherw­eise noch Sanktionen, eine Größenordn­ung, die weit über das klassische Hehlergesc­häft oder die Verwertung von Beute hinausgeht.

STANDARD: Was fordern Sie in diesem Zusammenha­ng? Hetzer: Ein entspreche­ndes Unternehme­nsstrafrec­ht, das es derzeit in dieser Form in Deutschlan­d nicht gibt, das beispielsw­eise die Einstellun­g des Geschäftsb­etriebes verfügt. Ist es denn überhaupt noch erkennbar, ob sich die Managerinn­en und Manager der Deutschen Bank noch am legalen Wirtschaft­sbetrieb beteiligen?

STANDARD: Weitere Sanktionsm­öglichkeit­en? Hetzer: Man könnte über Aufsichtss­trukturen nachdenken, bis hin zur Verstaatli­chung, Untersagun­g der Ausübung des Gewerbebet­riebs. Man kann vor allem bei der Gewinnabsc­höpfung, bei der vieles im Argen liegt, etwas verbessern. Verbrechen dürfen sich nicht lohnen.

STANDARD: Für das abgelaufen­e Quartal hat die Deutsche Bank einen Rekordverl­ust von über sechs Milliarden Euro eingefahre­n. Hetzer: Diese Größenordn­ung ist einmalig. Das ist schon eine Leistung, die Leiden schafft und wird so schnell nicht auszubügel­n sein.

(64) ist Rechtsund Staatswiss­enschafter und war von 2002 bis 2013 im Europäisch­en Amt für Betrugsbek­ämpfung (Olaf) tätig. Sein Buch „Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigun­g?“ist im Oktober im Westend-Verlag erschienen.

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WOLFGANG HETZER

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