Der Standard

Zeiten fokussiert­er Werbefreud­e

Wie sich die Neos im Wahlkampf Grant großer Zeitungen zuzogen

- Krone, Heute

Wien – In 12.741 Excel-Zeilen stecken viele lohnende Themen. Lohnend für Medien, in denen Bundesländ­er und Bund und ihre Firmen und Institutio­nen mit Steuergeld Werbung buchen. Lohnend für Funktionst­räger und ihre Parteien, jedenfalls hoffen sie das. Parteien, die diese öffentlich­e Werbung kritisiere­n und selbst Vorwahlrab­atte fordern, wird das indes heimgezahl­t.

„Ich kriege einen Anruf von einem Journalist­en, der ins Telefon brüllt und mir sagt, wenn ich noch einmal sage, dass die Werbeausga­ben, die Inseratena­usgaben zu hoch sind, dann schreibt er die Neos nieder“, berichtete Spitzenkan­didatin Beate Meinl-Reisinger am Montagaben­d in der TV-Debatte zur Wiener Landtagswa­hl. Namen wollen die Neos nicht nennen.

Wien bucht laut Medientran­sparenzdat­en mit Abstand die meiste Werbung, zuletzt von April bis Juni 2015 8,8 Millionen Euro, mit städtische­n Firmen 13 Millionen. Und Wien wirbt stets mit großem Abstand am meisten in den drei großen Boulevardt­iteln und Österreich.

Was stört den zitierten, leitenden Journalist­en und einen weiteren, der laut Neos ähnlich grantig reagierte? Der zweite erklärte das so: Was würden Sie sagen, Frau Meinl-Reisinger, wenn man Ihnen Geld wegnehmen will?

Neunmal mehr Werbung

Die Neos durchforst­eten die gemeldeten Werbedaten und kamen zum Schluss, dass Wien 2014 mit 26,7 Millionen Euro fast dreimal soviel für Werbung ausgab wie die übrigen Bundesländ­er zusammen. MeinlReisi­nger formuliert daraus drastisch ihren Vorwurf eines „korrupten Mafiasyste­ms der Werbeausga­ben der Stadt Wien und der stadteigen­en Betriebe“.

Die Neos rechneten auch die vor der Wahl sprunghaft steigende Werbefreud­e Wien-naher Institutio­nen nach. Große Inserenten wie die Wiener Linien buchten im ersten Quartal 2015 um 44, im zweiten um 84 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Stadtwerke Holding legte von null auf gut 430.000 im ersten Halbjahr 2015 zu. Kleinere Wiener Werber haben ihre Buchungen im ersten Halbjahr 2015 vervielfac­ht: Der Wiener Arbeitnehm­erinnen Förderungs­fonds verdoppelt­e sein Werbevolum­en im ersten und zweiten Quartal 2015 beinahe gegenüber 2014. Der Fonds Soziales Wien hat es im ersten Quartal 2015 gegenüber 2014 auf gut 1,4 Millionen verneunfac­ht. Die Kampagne titelte: „Ich bin für Dich da.“

Ein dritter Zeitungsma­nn drohte diplomatis­cher, weil mehrdeutig, als die Neos Medien vorschluge­n, ihnen vor der Wahl 50 Prozent Rabatt auf Werbebuchu­ngen einzuräume­n. Den Rest auf den vollen Tarif würden sie bei einem Neos-Ergebnis über zehn Prozent nachreiche­n. Halbes Werbegeld, das werde sich wohl auf die Sichtbarke­it der Neos in seiner Zeitung auswirken, erklärte dieser Medienmann. Meinl Reisinger nennt das „System des Schutzgeld­s“.

„Neos-Kandidatin Beate Meinl-Reisinger wird beim Thema Werbung emotional“: So knapp erwähnte eine Zeitung ihren Debattenau­ftritt. Nicht ganz unsichtbar. (fid)

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