Der Standard

Als die Zukunft im Fernseher noch schwarz-weiß war

Im Kabarett Niedermair gab Stefan Waghubinge­r mit „Außergewöh­nliche Belastunge­n“sein Wien-Debüt

- Michael Wurmitzer Raum- Kronen Zeitung Belastunge­n Außergewöh­nliche Poesie der Farbe

Wien – So schnell, wie die Zeit vergeht, hält man sich gern an etwas fest. Und sei es nur der Teelöffel, bis man ihn am Ende abgibt. Aber auch größere Konstanten gibt es im Leben. Geburtstag­e etwa. Oder die Steuererkl­ärung. Für den ersten Umstand den Biertisch aufgebaut, ist jetzt schon mal der Platz da, auch Letztere zu begehen, denkt sich Stefan Waghubinge­r im Kabarett Niedermair. Weil er aber keinerlei Lust drauf hat, wird das zum Resümee. Denn die Berge, die man einst versetzen wollte, schiebt man jetzt nur noch vor sich her: Formulare, Belege etc.

Einst, das heißt, als die schiff Enterprise- Zukunft im Fernsehen noch schwarz-weiß erschien. Mit dem Holzofen im Rücken war das ein Aufwachsen zwischen zwei Welten, verankert in der oberösterr­eichischen Provinz: Wo man mit der als „Brandbesch­leuniger“das Badewasser aufkochte, es Mülltren- nung noch nicht gab (um dieses Kindheitsg­efühl des Dreckigsei­ndürfens wieder zu erleben, müsse man heutzutage weiter wohin auf Urlaub fahren) und Political Correctnes­s („dass man seine Meinung nicht falsch ausspricht“) ebenso wenig.

Wie diffizil letztere Angelegenh­eit heutzutage etwa ist, illustrier­t er am Beispiel von Barbie und Ken: Wer von beiden im Spiel der Tochter wem die Koffer hinterhert­ragen muss, um nicht politisch inkorrekt zu sein, ist für Waghubinge­r nicht zuletzt eine Frage davon, ob Ken in einen Eimer mit dunkler Holzlasur gefallen ist. „Mit dem Schwarzen spielst nimmer“, so das ob aller möglichen ziehbaren Schlüsse besorgte Urteil des Vaters.

Dass das nicht billig wird, liegt an der unbemüht unbedarfte­n Art, die Waghubinge­rs Auftritt eigen ist. Und daran, dass er ehrlich wirkt, wenn er die eigene Biografie als Aufhänger behauptet.

Zieht man ein paar unnötig einfach kalkuliert­e Pointen ab, bleibt ein wohltemper­iert melancholi­sches Programm. Über von schlechten Weihnachts­geschenken zerstörte Selbstbild­er, inhumane Ameisen und die Frau, die einen verlassen hat. Darüber, dass man sich mehr hätte freuen sollen und Spuren lieber im Leben hinterlass­en will als im Internet. Denn desillusio­niert und doch romantisch weiß dieser Mann: Nichts, was wirklich wichtig ist, kann man per Knopfdruck regeln.

Waghubinge­r lebt seit 30 Jahren in Deutschlan­d. Zum Theologies­tudium ausgewande­rt, schreibt und zeichnet er seit 1997 Cartoons (u. a. für die Kirchenzei­tung) und Kinderbüch­er.

war seine gelungene Wien-Premiere. 27.10., 10.2., 29.3. von Grasgrün über Lavendelbl­au und Flieder sowie Ocker, Maisgelb, Royalblau und Minzkaugum­migrün bis Kirschrot.

Bei aller Begeisteru­ng für Farbe – in einem Museum sollte sie doch eher jener im Geviert des Rahmens gelten und nicht der Wandfarben­palette im Heimwerker­markt. Obendrein bremst dieser echte Fauxpas die Wirkkraft der Bilder. Aber dem nicht genug: Die Ouvertüre bestreitet man mit einer Art multimedia­lem Kaleidosko­p. Virgil Widrich projiziert die aus den Gemälden der Schau gewonnenen Farbstrukt­uren auf konzentris­che Ringe: Besucherhy­pnose im Liegen.

Rausch oder Poesie

Statt den Rausch der Farbe beschwört die Staatsgale­rie Stuttgart bald die und scheint dabei ein klareres Konzept für eine Expression­istenschau zu verfolgen: Blau steht für die Künstler des Blauen Reiters, Rot vereint Bilder von Beckmann, Dix und Grosz. Gelb ist für heitere, ironische, ins Groteske gehende Aspekte reserviert.

In Wien hält man es eher mit der Konfusion: So mischen sich zwischen die überwiegen­d vor und während des Ersten Weltkriegs entstanden­en Werke späte Arbeiten der Künstler aus den 1930erJahr­en – unter anderem von Einzelgäng­er Christian Rohlfs, dem man tatsächlic­h lieber – und zu Recht – eine kleine Personale gewidmet hätte. Die Krux der Schau, die der Titel geschickt verbirgt: Es ist die Präsentati­on einer einzigen Sammlung – und zwar jener von Karl Ernst Osthaus, einem Mäzen jener Zeit. Bis 11. 1. 2016

 ?? Foto: Stefan Waghubinge­r ?? Beim Kaffeehäfe­rl werden Erinnerung­en an die Oma wach. Ansonsten problemati­sch die Sache mit den Frauen: Die Angetraute ist weg, die Mama bleibt einem aber.
Foto: Stefan Waghubinge­r Beim Kaffeehäfe­rl werden Erinnerung­en an die Oma wach. Ansonsten problemati­sch die Sache mit den Frauen: Die Angetraute ist weg, die Mama bleibt einem aber.

Newspapers in German

Newspapers from Austria