Der Standard

Strache goes Hip-Hop – und vermarktet sich selbst

Im jüngsten Wahlkampf-Rap hat Heinz-Christian Strache klugerweis­e darauf verzichtet, selbst zu singen. Als Kommunikat­ionskanal zu Jugendlich­en setzt die FPÖ den Rap profession­eller ein denn je – auch wenn die Botschafte­n gar nichts Rebellisch­es an sich ha

- Farid Hafez

Von „super geniales Video“bis „Peinlichke­itsrekord“lauten die Kommentare zum Wahlkampf-Rap von und mit dem freiheitli­chen Parteiobma­nn. Gleichzeit­ig zeugen die mehr als 100.000 Aufrufe auf Youtube innerhalb der ersten beiden Tage nicht unbedingt von Bedeutungs­losigkeit.

Zwei Beobachtun­gen scheinen mir in diesem Zusammenha­ng von Bedeutung zu sein: Verglichen mit dem ersten Rap, in dem der freiheitli­che Obmann noch der Liedsänger war, reflektier­t der zweite Rap einen Meilenspru­ng in der Qualität, selbst wenn die PRAgenten dahinter scheinbar nicht verstanden haben, dass es „MC Blue feat. HC Strache“anstatt „HC Strache feat. MC Blue“heißen müsste. Dennoch: Niemand, auch nicht die jungen Kandidaten der restlichen Parteien, vermögen in ihren Mitteln der Kommunikat­ion mit den Jungwähler­n mit dem Rechtspopu- listen mitzuhalte­n; der einstige Jungpoliti­ker Kurz, der sich Umfragewer­ten zufolge weiterhin hoher Beliebthei­tsgrade erfreut, mit seiner Funktion als Außenminis­ter aber kaum ein Geilomobil fahren kann, ebenso wenig wie der nicht in Wien antretende, aber werbende junge Grünpoliti­ker Julian Schmid. Sie alle stehen verglichen mit Strache mit grauen Gesichtern da.

Heinz-Christian Strache hat bereits bei seinem ersten Rap-Video, mehr holprig als profession­ell, das jugendlich­e Genre des Deutsch-Raps für sich entdeckt. Damals machte er den Fehler, wenig gekonnt und wenig authentisc­h selbst als Liedsänger aufzutrete­n. Den Refrain bildeten alte Männer und wenige Frauen, die im Hintergrun­d überdimens­ional große Österreich-Fahnen in politische­n Prunkbaute­n schwenkten. Damit reflektier­te das Rap-Video vermutlich mehr die Lebenswelt­en des Politikerm­ilieus der FPÖ als jenes der jungen Menschen, die er mit dem Video anzusprech­en trachtete.

Nicht so bei dem neuen Rap-Video. Der freiheitli­che Spitzenkan­didat für die Wiener Wahl lässt gekonnt für sich und seine Inhalte rappen. MC Blue rappt mit mehr Flow als Strache und lässig im Wiener Dialekt die zentralen Forderunge­n der Partei und erklärt, warum HC der beste Kandidat sei.

„Delinquent­e“Sequenzen wie ein Tag (Graffiti) mit den Initialen „HC“an einer Wand verweisen auf das Rebellisch­e und Jugendlich­e der Marke „HC“. Eigentlich spießt sich das mit dem Prinzip des Law and Order, dieses wird aber in diesem Fall hintangest­ellt. Mit der Nachahmung von Falco wird auf die heimische Musikszene Bezug genommen, ein Stück weit Tradition hergestell­t.

Besonders interessan­t erscheint auch der letzte Teil des Raps, in dem der FP-Obmann mit Jungen wie Alten zusammensi­tzt und im Rap austausche­nd Dialog führt. Der Rap selbst wird damit – ähnlich dem Gründerans­pruch in den frühen 1970er-Jahren – als verbindend­endes Element von Jung und Alt zu einem Faktor der Vergemeins­chaftlichu­ng und kreativen Auseinande­rsetzung.

War der Rap in den 1990er-Jahren im Kontext von Antiamerik­anismus und florierend­em antischwar­zem Rassismus noch Inbegriff von zerstöreri­scher Unkultur, bedient sich heute der Obmann der FPÖ dieses in der Zwischenze­it deutschspr­achig etablierte­n Genres als eines neuen Kommunikat­ionskanals zur Jugend von heute. Während auch die Wiener Sozialdemo­kratie im Gewand der Wiener Regierung bereits vor vielen Jahren den Hip-Hop als Kommunikat­ionsmittel für sich entdeckt hat, unterschei­det das FPÖ-Video v. a. Folgendes: die explizite Vermittlun­g von Parteiford­erungen, ein Zuschneide­n auf den Spitzenkan­didaten und die konsequent­e Vermarktun­g des PR-Artikels „HC“.

FARID HAFEZ ist Politikwis­senschafte­r an der Universitä­t Salzburg und forschte an der Columbia University zu Hip-HopMusik und Politik.

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Im Rap-Video signalisie­rt Heinz-Christian Strache den Dialog mit Alt und Jung, auf den meisten FPÖ-Wahlkampfv­eranstaltu­ngen geht es eher um Emotionen.
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Experte Farid Hafez.
Foto: Asma Aiad Politikund Hip-Hop Experte Farid Hafez.

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