Der Standard

Recht, nicht Rache – wider das Vergessen

- Gregor Auenhammer

Unbeirrbar­keit und Hartnäckig­keit – es müssen diese besonderen Eigenschaf­ten gewesen sein, die es Simon Wiesenthal ermöglicht­en, die von ihm aufgedeckt­en Fälle nationalso­zialistisc­her Verbrechen gegen hinhaltend­en, massiven Widerstand an die Öffentlich­keit vor Gericht zu bringen“, rekapituli­ert Architekt Bernhard Denkinger über Simon Wiesenthal, der vor exakt zehn Jahren in Wien verstorben ist. Danielle Spera, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, das anlässlich des Todestages von Simon Wiesenthal (1908–2005), diesem eine umfassende Ausstellun­g widmet, erinnert in ihrem Essay an die erschrecke­nd respektlos­e und beschämend­e Absenz des „öffentlich­en Österreich“bei dessen Begräbnis in Herzlyia. Zwar sind Bundeskanz­ler Schüssel und Bürgermeis­ter Häupl bei einer Abschiedsz­eremonie auf dem Zentralfri­edhof gewesen, zum Begräbnis in Israel sind aber nur Staatssekr­etär Morak und Kulturstad­trat Mailath-Pokorny gereist.

Noch ein paar Jahre zuvor hatte Simon Wiesenthal selbst seine Verbundenh­eit mit Österreich bekundet, und das trotz all dessen, was ihm und seiner Familie angetan worden war. „Als geborener Altösterre­icher habe ich nicht nur die Volksschul­e in Wien besucht, mein Vater ist als österreich­ischer Soldat gefallen, und ich selbst habe mich vor 52 Jahren in Österreich niedergela­ssen, nachdem ich von den Nazis bis nach Maut- hausen verschlepp­t worden war, wo ich in allerletzt­er Minute befreit wurde. Ich fühle mich wirklich nicht als Fremder in diesem Land.“Wiesenthal bemühte sich zeitlebens als Anwalt der Opfer unablässig um die Zulassung oder Wiederaufn­ahme von Verfahren gegen ehemalige nationalso­zialistisc­he Täter. Er bewegte sich in Österreich in einem gesellscha­ftlichen Umfeld, das einen „Schlussstr­ich“wollte und die Verfahren – wenn überhaupt – nur widerstreb­end zuließ, ohne großes Interesse an der Aufklärung der Verbrechen.

Anhand hunderter Fotos, zahlreiche­r Dokumente, Zitate, privater Notizen, persönlich­er Erinnerung­en von Zeitgenoss­en und einer exakten Biografie erinnern nun Buch und Ausstellun­g an den oft als „NaziJäger“Apostrophi­erten, der „Recht, nicht Rache“forderte. Wider das Vergessen. Ähnlich argumentie­rte auch Gerhard Roth: „Ich behaupte, dass Simon Wiesenthal der wichtigste und bedeutends­te Mann der Zweiten Republik war. Seine große Tragödie war, dass die Österreich­er das bis heute nicht wissen. Simon Wiesenthal stand für Mut, Unbestechl­ichkeit, Hartnäckig­keit und Aufrichtig­keit – für Mut zuerst.“ Jüdisches Museum Wien (Hg.), „Wiesenthal in Wien“(Dt./Engl.). € 29,90 / 144 S. Metro, Wien 2015 Das Jüdische Museum Wien (Wien 1, Dorotheerg. 11) zeigt die gleichnami­ge Ausstellun­g bis 8. 5. 2016.

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