Grabungsarbeiten in der Tiefe des Systems
Mit Filmen von Corneliu Porumboiu, Radu Muntean und Tudor Giorgiu ist das rumänische Kino mit drei Arbeiten vertreten, die sich der Undurchsichtigkeit von Staat und Gesellschaft widmen.
Es wirkt wie ein eher verzweifelter Versuch, Geld aufzutreiben, den der Nachbar einem jungen Rumänen namens Costi vorträgt: In seinem Garten in einem Dorf in der Provinz ist vielleicht ein Schatz vergraben. Man bräuchte nur einen Metalldetektor, und dann müsste man eben eine Schaufel in die Hand nehmen. Costi hat eigentlich genug um die Ohren, aber er lässt sich darauf ein, und siehe da, bei der Schatzsuche in Corneliu Porumboius Comoara (The Treasure) kommt tatsächlich etwas heraus – nämlich eine der besten Pointen, die es im Kino seit langem gegeben hat.
Man könnte es auch so sagen: Die ganze Geschichte des (post-) kommunistischen Rumänien ist in diesem Garten vergraben, der nicht zufällig an einem Ort liegt, an dem im 19. Jahrhundert eine erste (bürgerliche) Revolution die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern versuchte. Porumboiu ist einer der klügsten Erzähler, seine Filme sind manchmal ein wenig spröde, weil er mit Implikationen arbeitet und wichtige Dinge in Details versteckt. Mit Comoara erreicht sein beeindruckendes Werk einen Höhepunkt, nicht zuletzt an subtiler Komik.
Zugleich zeigt sich Porumboiu damit als besonders versiert im Umgang mit jener Stilistik, für die das rumänische Kino sich mit seiner „Neuen Welle“als fruchtbar erwiesen hat, die aber das internationale Festivalkino schon seit längerer Zeit prägt: ein indirektes Erzählen, das konkrete, manchmal banale Begebenheiten zum Anlass nimmt, ein beziehungsreiches Ganzes anzudeuten.
Korruption und Klasse
In Radu Munteans Un etaj mai jos (One Floor Below) ist das dramatische Ereignis im Zentrum keineswegs banal: Eine junge Frau wird (mutmaßlich) ermordet, die Parteien in dem Haus, in dem sie gewohnt hat, wissen darüber unterschiedlich viel. Patrascu, ein Mann in mittleren Jahren, wäre eigentlich der wichtigste Zeuge. Aus Gründen, die Muntean allenfalls andeutet, schweigt er aber. Und so geht das Leben weiter seinen Gang, allerdings nun mit einer Spannung, die charakteristisch für dieses Erzählen ist, das man durchaus als kriminalistisch bezeichnen könnte – ermittelt wird in der Angelegenheit einer Gesellschaft, die in vielerlei Hinsicht verbesserungswürdig ist. Dabei zeigt sich in den Filmen von Porumboiu oder Muntean die rumänische Mittelklasse, die sich seit 1990 herausgebildet hat – eine Klasse, die es sich halbwegs eingerichtet hat, die aber doch deutlich gestresst ist, während die Kinder in die Welt der Computerspiele verschwinden.
Der junge Staatsanwalt Cristian, der in Tudor Giorgius De ce eu? (Why Me?) in einer Korruptionsangelegenheit ermittelt, könnte da als eine positive Identifikationsfigur erscheinen. Einer, der zeigt, dass es sich lohnt, sich zu engagieren. Allerdings ist diese Geschichte, die auf tatsächlichen Begebenheiten beruht (Cristian Panait, das Vorbild für die Figur im Film, starb 2002 mit noch nicht einmal 30 Jahren), nicht dazu angetan, den Idealismus zu befördern. In Manier pessimistischer Klassiker wie etwa von Francesco Rosi lässt Giorgiu seinen Helden in einem undurchdringlichen System allmählich verlorengehen.
Die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen stellt sich besonders in Staaten, in denen man zu einem Archäologen von Netzwerken werden müsste. Comoara findet für diese „Tiefe“ein schlagendes Bild: jene Grube, in der die revolutionären Hoffnungen zweier Jahrhunderte liegen. „Comoara“, 24. 10., Gartenbaukino, 18.00; 25. 10., Stadtkino, 11.00; „Un etaj mai jos“, 2. 11., Urania, 20.30; 3. 11., Stadtkino, 11.00; „De ce eu?“, 4. 11., Urania, 15.30, 5. 11., Metro, 21.00