Von der Erhabenheit des Tuns
Günter Schwaigers Doku „Seit die Welt Welt ist“
Gonzalo (56) lebt mit seiner Familie auf seinem Hof im kastilischen Dorf Vadocondes. Eine Frau, drei Söhne, von denen zwei arbeitslos sind. Eine Sau wird geschlachtet und verarbeitet. Die Blutwurst gehört gestopft, jeder hilft. Auch die Weinreben müssen gestutzt werden, die Kartoffeln gesetzt. Die Tätigkeiten sind beschaulich, die Worte sparsam.
Sohn Luis (26) redet in Günter Schwaigers Dokumentation Seit die Welt Welt ist erst nach einer Stunde das erste Mal. Geht aber dann gleich in medias res. Er trägt einen Vokuhila und Sneaker: Um die Kartoffelernte an eine der Abnehmerfirmen überhaupt veräußern zu können, sagt er, ist er gezwungen, auch deren Saatkartoffeln zu kaufen. Über diese Form der Versklavung ist er empört. Auch der Mais hat seine Tücken. Als Saatgut sind lediglich Hybridzüchtigungen erhältlich, deren Früchte gezielt nicht zur erneuten Aussaat taugen. Luis soll Gonzalos Hoferbe werden.
Während die Häuser sich ringsum leeren und allmählich zu probaten Feriendomizilen für den internationalen Individualtourismus mutieren, macht Gonzalos Familie weiter. Viele junge Leute aber suchen Arbeit in der Stadt oder (nicht selten) im Ausland. „Se Vende“ist eine häufige Aufschrift in der rund 300 Einwohner zählenden Ortschaft auf dem tiefen Land ziemlich genau zwischen Madrid und Bilbao. Große Plantagen, wie sie der mitteleuropäische Supermarktkunde kennt oder zu kennen glaubt, gibt es hier im Norden Spaniens nicht.
ist versteht sich aber nicht als Abgesang auf eine strukturschwache und von der Globalisierung an den Rand gedrängte Gegend und ihre armen Bewohner. Im Gegenteil, Schwaiger folgt in verästelten Spuren der tiefen Verwurzeltheit dieses Daseins und seiner eigenen, widerborstigen Schönheit. Das Überleben ist gar schwierig, aber die Menschen halten an ihrem Leben fest. Die Wörter „EU“oder „Förderprogramm“fallen kein einziges Mal, auch wenn man angesichts dieser von den Weltmarktpreisen torpedierten, kleinen Landwirtschaft umgehend daran denken muss.
Schwaiger zeigt „sein“Dorf wesentlich erhabener, losgelöst von der wirtschaftlichen Knechtschaft, in der „Freiheit“seines alltäglichen Tuns: Traktor reparieren und dabei rauchen; baden an der Flussbiegung; ins Open-AirKino am Dorfplatz gehen; Würste selber machen; er zeigt Hummeln, die auf Sonnenblumen zustürzen. Und wenn das Wildschwein das Maisfeld verwüstet hat, flucht Gonzalo, holt die Büchse und zieht bei Dämmerung hinaus auf die Flur seiner Farm in Vadocondes. 27. 10., Stadtkino, 20.30