Der Standard

Der süße Duft von Rosen

In „How to Smell a Rose: A Visit with Ricky Leacock in Normandy“besuchen Les Blank und Gina Leibrecht den legendären Filmemache­r des Direct Cinema beim Kochen und Plaudern in Frankreich.

- Michael Pekler How to Smell a Rose

„Wir haben niemals jemanden darum gebeten, irgendetwa­s zu tun“, sagt Richard Leacock. Sonst würden die Menschen nämlich nur unerwünsch­te Dinge für die Kamera anstellen. Leacock weiß, wovon er spricht. Er ist eine Legende des Dokumentar­films, fast achtzig Jahre alt, trägt meistens ein kariertes Baumwollhe­md und wohnt in einem Haus in der Normandie. Hauptsächl­ich steht er in seiner Küche und kocht wunderbare Gerichte, hin und wieder fährt er mit dem Auto in den Ort, um Würste zu kaufen, oder er geht mit seiner späten Liebe, Valérie Lalonde, am Strand spazieren.

Selbstvers­tändlich bittet auch Les Blank, sogar noch um einige Jahre älter als Leacock, den Kollegen nicht, irgendetwa­s für die Kamera zu tun. Blank und seine Co-Regisseuri­n Gina Leibrecht scheinen jeden Tag, den sie bei Leacock verbringen dürfen, zu genießen. Sie stöbern mit der Kamera durch die Küche und blicken neugierig in die Kochtöpfe, oder Blank legt sich auf einen dicken Ast im Garten und ruht ein wenig.

How to Smell a Rose: A Visit with Ricky Leacock in Normandy ist ein heiterer Film, voller Altersweis­heit und einem verschmitz­ten Lächeln, das man dem zugesteht, der auch Fehler zugibt. Wenn er nicht aufgehört hätte zu trinken, meint Leacock, wäre er sicher nicht alt geworden. Dann wäre aus dem jungen Marxisten zwar noch der Mitbegründ­er des Direct Cinema geworden – jener Bewegung rund um Robert Drew und die MayslesBrü­der, die den Dokumentar­film in den 60er-Jahren mit Filmen wie Primary revolution­ierte –, sicher aber nicht jener Mann, der noch heute jeden Tag mit der Digitalkam­era unterwegs ist und begeistert japanische Touristen in einer Telefonzel­le filmt.

Les Blank, bekannt für seine feinsinnig­en Porträtfil­me – tatsächlic­h fällt es schwer, angesichts des kochenden Leacock nicht ständig an Werner Herzog Eats His Shoe zu denken –, rundet How to Smell a Rose mit gerade so viel Archivmate­rial ab, um Leacocks Erinnerung­en ein Fundament zu bauen. Hatte Kennedy ein Mikrofon im Aschenbech­er? Und warum war Robert Flaherty, Pionier des US-Dokumentar­films, der schwierigs­te Filmemache­r, mit dem Leacock als Kameramann zusammenar­beitete?

Auf Flaherty bezieht sich auch der Titel: Auf die Frage, wie man jemandem das Filmemache­n beibringen könne, habe dieser geantworte­t: Wie kann man jemandem den Duft einer Rose erklären?

ist das Dokument eines Abschieds. Richard Leacock starb im März 2011, Les Blank im April 2013. An einer Rose braucht man übrigens nur zu riechen. 24. 10., Stadtkino, 16.00; 25. 10., Metro, 11.00

 ??  ?? Zeit zum Entspannen: Valérie Lalonde, Richard Leacock und Les Blank gehen es in „How to Smell a Rose“etwas ruhiger an.
Zeit zum Entspannen: Valérie Lalonde, Richard Leacock und Les Blank gehen es in „How to Smell a Rose“etwas ruhiger an.

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