Der süße Duft von Rosen
In „How to Smell a Rose: A Visit with Ricky Leacock in Normandy“besuchen Les Blank und Gina Leibrecht den legendären Filmemacher des Direct Cinema beim Kochen und Plaudern in Frankreich.
„Wir haben niemals jemanden darum gebeten, irgendetwas zu tun“, sagt Richard Leacock. Sonst würden die Menschen nämlich nur unerwünschte Dinge für die Kamera anstellen. Leacock weiß, wovon er spricht. Er ist eine Legende des Dokumentarfilms, fast achtzig Jahre alt, trägt meistens ein kariertes Baumwollhemd und wohnt in einem Haus in der Normandie. Hauptsächlich steht er in seiner Küche und kocht wunderbare Gerichte, hin und wieder fährt er mit dem Auto in den Ort, um Würste zu kaufen, oder er geht mit seiner späten Liebe, Valérie Lalonde, am Strand spazieren.
Selbstverständlich bittet auch Les Blank, sogar noch um einige Jahre älter als Leacock, den Kollegen nicht, irgendetwas für die Kamera zu tun. Blank und seine Co-Regisseurin Gina Leibrecht scheinen jeden Tag, den sie bei Leacock verbringen dürfen, zu genießen. Sie stöbern mit der Kamera durch die Küche und blicken neugierig in die Kochtöpfe, oder Blank legt sich auf einen dicken Ast im Garten und ruht ein wenig.
How to Smell a Rose: A Visit with Ricky Leacock in Normandy ist ein heiterer Film, voller Altersweisheit und einem verschmitzten Lächeln, das man dem zugesteht, der auch Fehler zugibt. Wenn er nicht aufgehört hätte zu trinken, meint Leacock, wäre er sicher nicht alt geworden. Dann wäre aus dem jungen Marxisten zwar noch der Mitbegründer des Direct Cinema geworden – jener Bewegung rund um Robert Drew und die MayslesBrüder, die den Dokumentarfilm in den 60er-Jahren mit Filmen wie Primary revolutionierte –, sicher aber nicht jener Mann, der noch heute jeden Tag mit der Digitalkamera unterwegs ist und begeistert japanische Touristen in einer Telefonzelle filmt.
Les Blank, bekannt für seine feinsinnigen Porträtfilme – tatsächlich fällt es schwer, angesichts des kochenden Leacock nicht ständig an Werner Herzog Eats His Shoe zu denken –, rundet How to Smell a Rose mit gerade so viel Archivmaterial ab, um Leacocks Erinnerungen ein Fundament zu bauen. Hatte Kennedy ein Mikrofon im Aschenbecher? Und warum war Robert Flaherty, Pionier des US-Dokumentarfilms, der schwierigste Filmemacher, mit dem Leacock als Kameramann zusammenarbeitete?
Auf Flaherty bezieht sich auch der Titel: Auf die Frage, wie man jemandem das Filmemachen beibringen könne, habe dieser geantwortet: Wie kann man jemandem den Duft einer Rose erklären?
ist das Dokument eines Abschieds. Richard Leacock starb im März 2011, Les Blank im April 2013. An einer Rose braucht man übrigens nur zu riechen. 24. 10., Stadtkino, 16.00; 25. 10., Metro, 11.00