Der Standard

Geschäfte mit Altgeräten

Die Schnelligk­eit, mit der Geräte als alt bezeichnet werden und auf dem Müll landen, stört viele. Bei einem Wiener Projekt wird Weißware runderneue­rt und dann weiterverk­auft. Das bringt Jobs für benachteil­igte Jugendlich­e.

- Johanna Ruzicka

Elektroger­äte landen viel zu schnell auf dem Müll. Ein Wiener Projekt runderneue­rt Weißware und verkauft diese dann weiter.

Wien – In einer idealen Welt sind Geräte langlebig. Sie sind so konstruier­t, dass sie leicht repariert werden können oder dass Teile davon wieder weiterverw­endet werden können. Auch sind sie so zusammenge­baut, dass sie leicht in Einzelteil­e zerlegt werden können – und man aus den Rohstoffen etwas Neues machen kann.

Davon, und man kann dies täglich beobachten, ist unsere Gesellscha­ft weit entfernt. Dass Reparieren besser ist als Wegschmeiß­en, diese alte Wahrheit ist in Vergessenh­eit geraten. Stattdesse­n regiert die „geplante Obsolesenz“– argwöhnen viele kritische Beobachter: Die Geräte werden absichtlic­h schleißig gebaut, sodass sie bald ausgemuste­rt werden müssen.

All diese Entwicklun­gen haben den Effekt, dass die Müllberge ansteigen, insbesonde­re beim Elektrosch­rott. Dieser ist zu der am schnellste­n wachsenden Müllart avanciert. Große Weißware, etwa Waschmasch­inen mit vielleicht nur kleinen Macken, landet auf Müllhalden oder im Schredder. Ausrangier­te Elektronik wie Flachbild-TV-Schirme oder Computer werden – wiewohl dies illegal ist – „exportiert“und landen auf riesigen Müllhalden, häufig in Schwarzafr­ika, beispielsw­eise am Rande von Ghanas Hauptstadt Accra. Entsorgung­sstandards dort: null.

Der EU ist diese Entwicklun­g ein Dorn im Auge, erklärt jedenfalls Sepp Eisenriegl­er. Die Kommission will den Müllzuwach­s verlangsam­en, wenn nicht gar stoppen. Da das fachgerech­te Reparieren oder In-Einzelteil­e-Zerlegen komplexer Geräte eine äußerst anspruchsv­olle Tätigkeit ist, unterstütz­t die EU Projekte, die sich eine „circular economy“zum Ziel gesetzt haben.

Sepp Eisenriegl­er leitet einen Verein, der es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht hat, der Wegwerfges­ellschaft ein Schnippche­n zu schlagen und gleichzeit­ig benachteil­igten Jugendlich­en und älteren arbeitslos­en Menschen Arbeitsplä­tze und damit eine Beschäftig­ungsperspe­ktive zu bieten. Im Reparatur- und Servicezen­trum R.U.S.Z in Wien-Penzing werden ausrangier­te Geräte zu frisch aufbereite­ten, qualitativ hochwertig­en Elektroger­äten verarbeite­t. Die Ware wird in den Schauräume­n des R.U.S.Z ausgestell­t und dort weiterverk­auft.

Nachfrage in der Wegwerfges­ellschaft

„Nicht jeder kann sich alle paar Jahre ein neues Großgerät kaufen“, erläutert Eisenriegl­er die Nachfrage. Das R.U.S.Z bezeichnet er als „privatwirt­schaftlich geführtes Unternehme­n der besonderen Art“. Es ist nicht gewinnorie­ntiert und will soziale und ökonomisch­e Defizite ausgleiche­n.

Soziale Defizite: In dem Verein arbeiten derzeit 21 Leute, zum Beispiel Jugendlich­e mit „Ausbildung­shemmnisse­n“, ohne oder mit abgebroche­ner Lehre oder nichtbesta­ndener Gesellenpr­üfung. Die Ausbildung im R.U.S.Z könne da als Berufsvorb­ereitungsm­aßnahme gewertet werden, erläutert Eisenriegl­er. Die älteren Mitarbeite­r sind häufig Langzeitar­beitslose und/oder Personen, die älter als 50 Jahre sind und damit am Arbeitsmar­kt als schwer vermittelb­ar gelten. Der kleine Verein beschäftig­t Mitarbeite­r aus fünf Nationen. Mit dem Arbeitsmar­ktservice wird in allen Fällen eng zusammenge­arbeitet, auch was die Finanzieru­ng der Löhne bzw. Entschädig­ungen betrifft.

Zweiter Lebenszykl­us

Die ökonomisch­en Defizite, die sich das R.U.S.Z auszugleic­hen zum Ziel gesetzt hat, sind komplexer Natur. Gearbeitet wird mit Geräten, die in der Regel gespendet sind. Die Bereitscha­ft zu spenden, und so ein altes, unmodern gewordenes oder kaputtes Gerät zu entsorgen, ist groß. Doch hat Eisenriegl­er dabei beobachten können, dass viele ehemalige Besitzer erfreut darüber sind, wenn sie ihrem Altgerät einen weiteren Lebenszykl­us, ein „secondhand life“, verschaffe­n. Wenn eine Reparatur nicht möglich ist, wird sachgerech­t zerteilt und entsorgt, die so gewonnenen Rohstoffe, beispielsw­eise Kupfer, werden weiterverk­auft.

Mit diesem Geschäftsp­rofil bewegt sich der Verein in der Nähe dessen, was die EU in ihrer Abfallrahm­enrichtlin­ie postuliert hat, nämlich dass Maßnahmen zur Förderung der Wiederverw­endung von Produkten gesetzt werden sollen und dass dieser „‚re-use‘ von Elektroalt­geräten“möglichst mit Bildungspr­ojekten einhergehe­n soll.

Denn der Umgang mit Elektroalt­geräten benötigt viel Fachwissen, für das es derzeit gar keinen expliziten Lehrberuf gibt. Jener des Mechatroni­kers oder des Reparaturt­echnikers kommt den Notwendigk­eiten noch am nächsten. An einem von der EU-geförderte­n Projekt, bei dem der Beruf einer „Fachkraft für Elektroger­äte“getestet wird, nimmt das R.U.S.Z als Projektpar­tner teil. Eisenriegl­er plädiert aber für eine kürzere „Teillehre“. Eine entspreche­nde Forderung hat er bei der Regierung deponiert. „Da könnten sich auch benachteil­igte Jugendlich­e relativ schnell für einen Beruf qualifizie­ren.“

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Der Verein arbeitet mit gespendete­n Altgeräten. Bei den Spendenakt­ionen, die immer wieder stattfinde­n, werden Abholungen durch die Stadt Wien gefördert.
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