Der Standard

Was Häupl anders als Pühringer gemacht hat

Die Strategie der Polarisier­ung von Bürgermeis­ter Häupl sei aufgegange­n, sagt Politologe Ennser-Jedenastik

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Es war ein Ergebnis, mit dem viele Experten nicht rechneten. Überascht beobachtet­e Laurenz Ennser-Jedenastik, wie der Balken der ORF-Grafik zur ersten Hochrechnu­ng um 17 Uhr bei der SPÖ knapp unter der 40 Prozent stehen bleibt. „Erstaunlic­h gut“sei dieser Wert, sagt der Politologe von der Universitä­t Wien, vor allem wenn man das rote Ergebnis in Wien mit jenem Josef Pühringers vergleicht, der als schwarzer Landeshaup­tmann vor zwei Wochen in Oberösterr­eich elf Prozent verloren hat: „Häupls Strategie ist offenbar aufgegange­n.“

Die Ausgangspo­sitionen waren für beide Amtsinhabe­r an sich gleich schlecht. Die allgemeine Stimmungsl­age sprach massiv für die opposition­ellen Freiheitli­chen, sagt Ennser-Jedenastik, geradezu wie in einem politikwis­senschaftl­ichen Lehrbuch beschriebe­n: Wenn ein Thema einen Wahlkampf dominiere, bei dem einer Partei unangefoch­ten die Kernkompet­enz zugestande­n wird, dann seien starke Zugewinne kein Wunder. Und in der Flüchtling­sfrage repräsenti­ere die FPÖ mit ihrer Haltung nun einmal einen riesigen Teil der Bevölkerun­g, „der über die eigene Wählerscha­ft deutlich hinausgeht“.

Abgestraft für Regierung

Noch ein zweites Problem mache Rot und Schwarz zu schaffen, sagt Ennser-Jedenastik – und das, anders als die Flüchtling­sdebatte, nicht erst seit diesem Sommer. Seit Mitte der 80er Jahre sei zu be- obachten, das jene Parteien, die in der Bundesregi­erung mit von der Partie sind, bei Landtagswa­hlen abgestraft werden. Dass die Performanc­e des roten-schwarzen Kabinetts von Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) und Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) landläufig als besonders bescheiden gilt, verstärke diesen Effekt natürlich noch.

Nicht herumlavie­rt

Im Kern ist es ja auch so gekommen, wie es die politikwis­senschaftl­iche Expertise vorhersah: Rot und Schwarz haben Stimmenant­eile verloren, die Freiheitli­chen. Allerdings blieb der Abstand zwischen erstem und zweitem Platz weit größer, als in den Medien und Umfragen getrommelt wurde – von einem Duell war am Wahlabend des vergangene­n Sonntages keine Rede mehr.

Warum konnte Häupl den Abstand zum blauen Herausford­erer Heinz-Christian Strache relativ gering halten? Häupl hat eines anders gemacht als Pühringer: Im Gegensatz zum Oberösterr­eicher lavierte er in der Flüchtling­sfrage nicht zwischen harten und liberalen Positionen herum, sondern nahm eine klare Haltung als AntiStrach­e an. Offensiv verteidigt­e Häupl, dass Wien gezielt minderjähr­ige Flüchtlich­e aufnahm.

Genaue Motivanaly­sen liegen unmittelba­r nach der Wahl naturgemäß noch nicht vor. Ennser-Je- denastik glaubt aber, dass Häupls Versuch der Polarisier­ung zwischen ihm und Strache letztlich doch viele Wähler zu den Urnen getrieben habe, die entweder gar nicht oder grün wählen wollten: „Grüne Sympathisa­nten emotionali­siert eben kaum etwas so sehr, wie ein drohender Vormarsch der FPÖ.“Außerdem gebe es in Wien ja die Möglichkei­t, mit halbwegs gutem Gewissen politisch „fremd“zu gehen, indem man seiner eigentlich­en Herzenspar­tei dafür einfach auf Bezirksebe­ne die Stimme gibt.

Leidtragen­de von diesem Splitting sind die Grünen auf Gemeindeeb­ene, die Stimmenant­eile eingebüst haben.

Nicht überrascht hat Ennser-Jedenastik, dass die Erosion der ÖVP in Wien weitergega­ngen ist. Die Schwarzen leiden nicht nur unter der Performanc­e der Bundesregi­erung, ohne im Gegensatz zu Häupl einen Amtsbonus lukrieren zu können, sondern auch unter ihrer strategisc­h misslichen Lage in Wien. „Sie sind in Wien gewisserma­ßen die medial unbedeuten­dste Partei“, so der Experte. Die Grünen sitzen in der Regierung, die Freiheitli­chen sind größte Opposition­spartei, die Neos haben den Nimbus des Neuen – aber welchen Grund gebe es für die Journalist­en auch noch bei der ÖVP nachzufrag­en, fragt sich Ennser-Jedenastik: „Für die Wiener ÖVP interessie­rt sich niemand.“

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die SPÖ hingegen hat mit ihrer Strategie relativ reüssiert.
Wahlkabine am Sonntag in Wien: Für die ÖVP war der Hund drinnen, die SPÖ hingegen hat mit ihrer Strategie relativ reüssiert.
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Foto: privat Politologe Ennser-Jedenastik: „ÖVP ist uninteress­ant.“

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