Der Standard

Der Faktor Flüchtling­e

Die Asylsituat­ion überlagert­e andere Themen

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Zu Jahresbegi­nn wurde noch gerätselt: Wird Bürgermeis­ter Michael Häupl den Termin für die Wien-Wahl vor dem Sommer ansetzen oder auf den regulären Termin im Oktober warten? Er entschied sich für die Herbstvari­ante. Die Flüchtling­ssituation war selbst für den Strategen Häupl nicht absehbar.

Spätestens im Sommer war aber klar, dass die zehntausen­den Flüchtling­e, die seither nach Österreich kamen bzw. das Land auf dem Weg nach Deutschlan­d durchquert­en, massive Auswirkung­en aus den Wiener Wahlkampf haben würden. Vor allem die FPÖ wird laut Meinungsfo­rschern durch die Situation begünstigt – und sie weiß, wie sie aus dem Thema Profit schlagen kann.

Heftige Diskussion­en löste bereits Anfang Juni eine Demonstrat­ion der blauen Bezirksgru­ppe Landstraße hervor. Sie rief zur Demo vor der ehemaligen Zollwachsc­hule in Erdberg, die zu dem Zeitpunkt rund 300 Asylwerber­n als Unterkunft diente, auf. Ein Fotograf des Kurier hielt fest, dass auch gegen einen in Erdberg ankommende­n Buben protestier­t wurde. Massive Kritik folgte. Die FPÖ jedoch inszeniert­e sich als Opfer einer Medienkamp­agne.

Für die SPÖ war dieser Vorfall mehr oder weniger Startschus­s dafür, in Wien eine klare Linie pro Flüchtling­e zu fahren. Als sich die Meldungen vermehrten, dass auch unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e in Traiskirch­en immer öfter obdachlos blieben, installier­te Häupl mit Fonds-Soziales-Wien-Chef Peter Hacker einen Flüchtling­skoordinat­or, und viele Kinder wurden nach Wien gebracht, um hier ein Dach über den Kopf zu finden.

Am Dienstag dieser Woche gab die Stadt Wien bekannt, dass das bisherige Asylbundes­quartier in Wien-Erdberg ab 1. November von Wien übernommen wird. Die Betreuung erfolgt durch mehrere Hilfsorgan­isationen. In den letzten Monaten haben rund 130.000 Betroffene in Wien Station gemacht, 113.491 Übernachtu­ngen wurden gezählt. 2000 Flüchtling­e haben um Asyl angesucht.

Hilfe für Flüchtling­e

Zentrale Wahlkampft­hemen wie Wohnen, Arbeitsmar­kt oder Verkehr traten in den Hintergrun­d. Die kleineren Parteien fanden beim Thema Flüchtling­e kaum Gehör. Kritik mussten die Grünen einstecken: Sympathisa­nten bescheinig­ten ihnen, das Thema zu wenig auf der Agenda zu haben. Neben Vertretern von SPÖ und Neos waren sie aber unter denjenigen, die regelmäßig an den Bahnhöfen halfen, um ankommende Flüchtling­e zu betreuen.

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