Erstversorgung: Bitte warten
Ärzte wollen Ausschreibungskriterien ändern, Kasse und Stadt haben anderen Plan
Wien – Was bereits dreimal misslungen ist, will auch beim vierten Mal nicht so recht in die Gänge kommen. Dabei hatte die Wiener Ärztekammer, angesprochen auf den missglückten Versuch, drei Betreiber für das zweite Primärversorgungszentrum (PHC) Wiens zu finden, Anfang September noch gemeint: „Wir schreiben das sofort wieder aus.“
So kam es dann doch nicht. Die Standesvertretung versucht es jetzt auf anderem Weg. Kammeramtsdirektor Thomas Holzgruber erklärt im Standard- Gespräch: „Beim letzten Mal haben wir nur zwei Ärztinnen gefunden. Das entspricht aber nicht den Ausschreibungskriterien.“Dort heißt es nämlich: „Nur Teambewerbungen von drei Ärzten möglich.“
Erosion im PHC-Kern
Die Ärzte wollen jetzt Gespräche mit der Stadt Wien und der Gebietskrankenkasse führen. Die Stoßrichtung: Für die Gründung des Pilot-PHCs sollen auch zwei willige Ärzte ausreichen. Doch das spießt sich mit den erweiterten Öffnungszeiten der Primärversorgungszentren – eigentlich Kern der neuen Organisationsform.
Was ein PHC ausmachen soll: dass Ärzte gemeinsam mit Therapeuten und Pflegefachkräften Spitäler und Ambulanzen entlasten, mindestens 50 Stunden pro Wo- che. „Das ist für zwei Ärzte nur schwierig machbar“, befindet Direktor Holzgruber, für den die tägliche Öffnungszeit zwischen 7 Uhr und 19 Uhr nicht in Stein gemeißelt ist. Auch die Vorgabe, dass immer zwei Ärzte gemeinsam Dienst versehen, kann seiner Ansicht nach lockerer gefasst werden. „Eine geringere Besetzung als zwei Ärzte kommt nicht infrage“, kontert die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, Ingrid Reischl, auf Standard- Anfrage.
Drängen aufs Gesetz
Und während die Ärztekammer damit liebäugelt, dass sich das Projekt „langsam entwickeln“und zu einem späteren Zeitpunkt ein dritter Mediziner dazustoßen könne, fordert Reischl mehr Tempo in Sachen Primärversorgungsgesetz: „Eigentlich sollte das Gesetz schon länger fertig sein. Ich rech- ne jedenfalls heuer noch damit.“Damit gäbe es endlich Rechtssicherheit – für Reischl einer der Hauptgründe für die ärztliche Zurückhaltung bei der PHC-Bewerbung. Reischl macht auch deswegen Druck, weil sie mit der Stadt Wien vereinbart hat, dass bis 2016 ein Prozent der Bevölkerung in PHCs behandelt wird. Andere Krankenkassen haben ähnliche Zielvereinbarungen.
Wie Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) denkt auch Reischl bereits an Alternativen, sollte es mit der Ärztekammer zu keiner Lösung für das PHC in unmittelbarer Nähe zum Donauspital kommen. „Dann kann man ein Institut errichten“– als Einrichtung der Gebietskrankenkasse, oder betrieben von der Stadt Wien. Oder in der Hand von Privaten – das Horrorszenario der Ärzte. Dennoch sei ein solches PHC in Händen der Kasse mit Ärzten als Angestellten „nicht die erste Wahl“.
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser will laut StandardRecherchen bis spätestens Mitte November einen Begutachtungsentwurf des Primärversorgungsgesetzes vorlegen. Ob und wie die Sozialversicherung, wie in einer Punktation vorgesehen, Einzelverträge mit den jeweiligen PHCBetreibern abschließen können soll, wird derzeit in informellen Gesprächen mit allen Beteiligten ausformuliert.