Der Standard

„Will das Büro von Wien nach Frankfurt verlegen“

Trotz eines deutlichen Einbruchs beim Bruttoinla­ndsprodukt steht Russland für VTB-Präsident Andrej Kostin gut da. Zugleich verrät der Chef der russischen Staatsbank seine Pläne für die VTB Direktbank in Wien.

- INTERVIEW: André Ballin

STANDARD: Im August wies Ihre VTB erstmals wieder Gewinn aus. Ist das Gröbste vorbei? Kostin: Richtig gut sind die Zahlen noch nicht, denn trotz des Gewinns im August verzeichne­n wir für die ersten acht Monate noch einen Verlust. Aber nun deutet alles darauf hin, dass wir für das Gesamtjahr plus minus null abschließe­n können. Im ersten Halbjahr, als der Leitzins sehr hoch war, haben wir 17,1 Milliarden Rubel (umgerechne­t 237 Millionen Euro, Anm.) Verluste ausgewiese­n. Die Zentralban­k senkt aber folgericht­ig die Leitzinsen, und 2016 können wir wohl wieder einen guten Gewinn machen, wenn es nicht zu unerwartet­en Turbulenze­n kommt.

STANDARD: Welche könnten dies denn sein? Sanktionen, Rubelabstu­rz und Ölpreisver­fall sind schon eingepreis­t, nun wird aber auch für 2016 mit einem weiteren Sinken der russischen Wirtschaft­skraft gerechnet? Kostin: In diesem Jahr gehen wir von einem Absinken des Bruttoinla­ndsprodukt­s von 3,8 Prozent aus, aber wir erwarten 2016 ein leichtes Wachstum von 0,5 Prozent ...

STANDARD: Der IWF hat die Prognose gerade auf minus 0,6 Prozent gesenkt. Eine Krise? Kostin: Für Russland ist das keine echte Krise. Die hatten wir 1998 und 2008/09, als es richtig runterging, Firmen ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, Unternehme­n reihenweis­e pleiteging­en und wir riesige Liquidität­sprobleme hatten. Jetzt haben wir eine Rezession, all diese gravierend­en Probleme sehe ich trotz des tiefen Ölpreises nicht. 90 Prozent unser wirtschaft­lichen Lage resultiere­n aus dem Verfall der Rohstoffpr­eise, Russland ist ja weiter sehr abhängig von Öl und Gas.

STANDARD: Nur zehn Prozent sind den Sanktionen geschuldet? Kostin: Ich glaube, ja. Denn die Sanktionen treffen ja nur einzelne Sektoren, und in einigen Bereichen haben sie sogar zu weniger Importen und einem Wachstum der heimischen Industrie geführt. Ein Problem ist, dass unsere Wirtschaft in vielen Bereichen noch zu monopolisi­ert ist. Sonst könnten wir negative Effekte viel besser abfedern. Insgesamt gehe ich davon aus, dass wir noch zwei, drei Jahre stagnieren werden, aber dann wieder wachsen.

STANDARD: Wie hart treffen die Sanktionen das Geschäft der VTB? Kostin: Das Hauptprobl­em ist der fehlende Zugang zu den internatio­nalen Kapitalmär­kten. Ausländisc­hen Investoren ist der Aktienkauf von auf den Sanktionsl­isten stehenden Firmen – darunter der VTB – verboten. Das verbaut uns etwas den geplanten Weg, Kapital über die Börse zu bekommen. Das Problem der Kapitalbes­chaffung haben wir gelöst, indem wir 2014 etwa 214 Milliarden Rubel (2,7 Milliarden Euro) und dieses Jahr weitere 307 Milliarden von der Regierung durch den Verkauf von Vorzugsakt­ien bekommen haben, um den Staatsante­il nicht weiter zu erhöhen. Wenn sich die Sanktionen nicht verschärfe­n, kommen wir zurecht. Aber unser eigenes Privatisie­rungsprogr­amm liegt auf Eis.

STANDARD: Was sagen Sie dazu, dass die Deutsche Bank ihr Geschäft in Russland radikal zusammenst­reicht? Kostin: Das ist sehr schade. Das ist eine Reaktion auf das harte Vorgehen aus den USA, es gab ja etwas unschöne Vorkommnis­se bei der Moskauer Filiale mit angebliche­r Geldwäsche oder fiktiven Überweisun­gen. Das ist alles eine Überreakti­on. Die Deut- sche Bank ist meine Lieblingsb­ank, ich habe viele Investment­banker von dort geholt, mein Sohn hat dort gearbeitet. Ich glaube, dass die Deutsche Bank eine große Zukunft hat.

STANDARD: Welche Zukunft hat denn die VTB Direktbank? Kostin: Mit unserer Holding in Europa verwalten wir vier Milliarden Euro Einlagen. Das ist nicht viel, aber für unsere kleine Bank trotzdem interessan­t. Ich will die Europa-Holding restruktur­ieren und das Hauptbüro von Wien nach Frankfurt verlegen. Ich liebe Wien sehr, dort gibt es eine tolle Oper, die Bankenaufs­icht dort ist okay, aber Frankfurt ist die Bankenhaup­tstadt Europas. Und ich will dann unseren Frankfurte­r Standort stärken.

STANDARD: Welche Impulse bekommt die VTB denn aus dem Europagesc­häft? Kostin: Das Auslandsne­tz gibt uns die Möglichkei­t für Geschäfte nach europäisch­em Recht, was einige unserer Kunden bevorzugen. Wir bieten auch gute Konditione­n im Euro-Zahlungsve­rkehr. Und es ist eine weitere Quelle für Mittel in Euro zu günstigen Bedingunge­n.

STANDARD: Aber Sie können die Einnahmen dort ja nicht nach Russland transferie­ren? Kostin: Nein, wir nutzen sie für Auslandspr­ojekte, auch in Drittlände­rn.

STANDARD: Blicken wir einmal von West nach Ost: Wie sehr setzen Sie auf China? Kostin: China kann nicht all unsere Probleme lösen. Der Markt öffnet sich sehr zögerlich. Obwohl wir eine Tochter in Schanghai haben und ein großer Händler am Yuan-Rubel-Markt sind, kann der chinesisch­e Markt nicht Amerikas und europäisch­e Banken ersetzen. Zudem ist China auch sehr vorsichtig. Der Banken- und Finanzsekt­or wird stark von der amerikanis­chen Politik kontrollie­rt, weil der Dollar Basiswähru­ng ist.

STANDARD: Sie könnten doch auch in Euro handeln? Kostin: Da gibt es keinen Unterschie­d. Die Europäer erlassen fast die gleichen Sanktionen wie die Amerikaner.

STANDARD: Haben Sie Pläne, Ihr Geschäft in China zu vergrößern. Kostin: Ja, aber China ist ein schwerer Markt für alle. Wir konzentrie­ren uns auf Klienten, die im bilaterale­n Handel tätig sind, obwohl auch der in diesem Jahr gesunken ist. Der Bedarf an Krediten und der Handelsabw­icklung in unseren nationalen Währungen ist da. Wir wollen auch einige Investitio­nsprojekte starten. Russlands Ängste vor China sind gesunken. Früher dachten wir, dass chinesisch­e Investitio­nen rein politische­r Natur sind. Jetzt sehen wir, dass große Fonds wie CIC auf Gewinne schauen. STANDARD: Trotz politische­r Annäherung sind chinesisch­e Investitio­nen in Russland gesunken. Kostin: Die Chinesen haben auch gelernt, Geld zu zählen. Und natürlich ist es kein Problem, Investitio­nen zu generieren, wenn es gute Projekte gibt. Geld gibt es dafür sowohl in China, im Westen und bei rus- sischen Investoren. Aber derzeit fehlen die Projekte, die 20 Prozent Rendite abwerfen.

ANDREJ KOSTIN (59), promoviert­er Ökonom, arbeitete jahrelang im diplomatis­chen Dienst der Sowjetunio­n, wechselte 1993 in den Finanzsekt­or. Seit 2002 ist er Vorstandsc­hef der zweitgrößt­en russischen Staatsbank VTB.

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Foto: EPA / Sergei Ilnitsky Andrej Kostin gehört als Chef der Staatsbank VTB zum engeren Führungskr­eis von Russlands Präsident Wladimir Putin.

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