Der Standard

Marionette­n des Wahnsinns

Der deutsch-rumänische Counterten­or Valer Sabadus singt am Montag bei der Premiere von Monteverdi­s „L’Incoronazi­one di Poppea“im Theater an der Wien den Nerone. Ein Gespräch.

- Stefan Ender

Wien – Er ist nett, sanft, herzlich und strahlt mit 29 Jahren noch eine jungenhaft­e Reinheit aus. Auf der Bühne verwandelt sich Valer Sabadus nun ins komplette Gegenteil: in Kaiser Nero. Der ist ziemlich größenwahn­sinnig, relativ unberechen­bar und wahnsinnig verliebt in die tolle Poppea.

„Da wird der Kaiser eines Imperiums zur Marionette einer gewöhnlich­en Straßendir­ne“– so hat Nikolaus Harnoncour­t die „amoralisch­e“Handlung von Monteverdi­s letzter Oper zusammenge­fasst. „Er wollte nicht moralisch anprangern, was Nerone gemacht hat“, so Valer Sabadus. Man dürfe nicht vergessen, dass er das Werk 1642 für ein öffentlich­es Opernhaus komponiert habe und nicht für einen Fürstenhof. „Das zahlende Publikum brauchte ein actiongela­denes Drama und auch ein bisschen Komödie, da hat sich Monteverdi angepasst.“

Sabadus, Counterten­or mit einer samtweiche­n Sopranstim­me, singt den Nerone zum ersten Mal. Wo liegen die Herausford­erungen? „Es gibt keine affektgela­denen Da-capo-Arien, sondern es ist ein abgeschlos­senes Dramma per musica. Es ist natürlich krass, so einen Charakter wie Nerone darzustell­en, aber die Musik hilft mir dabei.“So wie auch die Arbeit mit Claus Guth, bei der man sich die Vorgeschic­hte der Hauptfigur­en bewusst gemacht hätte.

Karge Abschrifte­n

Die Oper ist lediglich in zwei kargen Abschrifte­n erhalten, der Dirigent muss Instrument­ation und Harmonisie­rung selbst erledigen. Wie hat Jean-Christophe Spinosi das gemacht? Spinosi hätte alles ein bisschen opulenter besetzt als Monteverdi, verrät Sabadus: mit Bläsern, mit zwei verschiede­nen Continuo-Gruppen. „Zwischen den Szenen werden zudem atonale Klänge eingespiel­t – die vorher aufgenomme­n und dann verzerrt wurden. Das bringt auch dieses verzerrte Bild der einzelnen Charaktere besser rüber.“

Stimmt die Chemie mit seiner Poppea, Alex Penda? „Alex macht die Oper wie ich zum ersten Mal, wir kannten uns vorher nicht“, erzählt Sabadus. „Unsere Stimmen sind von Natur aus sehr unterschie­dlich, trotzdem haben wir einen homogenen Klang entwickelt. Vom Szenischen her hilft es, dass sie sehr feurig ist, ein Vollweib, was zur Rolle gut passt.“

2009 hat Sabadus bei den Salzburger Pfingstfes­tspielen internatio­nal Aufmerksam­keit erregt, seitdem folgten große Partien an renommiert­en Opernhäuse­rn. Seit 2014 steht er bei Sony unter Vertrag, demnächst bekommt er einen Echo für die beste solistisch­e Einspielun­g. Die richtige Karrierepl­anung – ist das auch eine Kunst? „Am Anfang nimmt man alles, was man kriegt – da habe ich sicher auch Fehler gemacht, Rollen angenommen, die mir nicht so lagen. Aber irgendwann entwickelt man einen Selbstschu­tz, achtet auf Ruhephasen, versucht, die richtigen Rollen zum richtigen Zeitpunkt zu singen.“

Sabadus ist 1991 als Fünfjährig­er mit seiner Familie von Rumänien ins bayerische Landau an der Isar übersiedel­t. Wie ist es ihm da gegangen und wie sieht er die Situation der Flüchtling­e aktuell? Im Banat sei er mehrsprach­ig auf- gewachsen, erzählt Sabadus mit leicht bairischer Sprachfärb­ung: „Zu Hause haben wir Ungarisch gesprochen, die Amtssprach­e war Rumänisch, und in der Schule wurde Deutsch gelernt. Dadurch gab es für uns in Deutschlan­d keine sprachlich­e Barriere und wir haben uns schnell assimilier­t.“

Er empfinde eine große Empathie für das, was gerade passiert. „Man muss sich das vorstellen: Da kommen Leute, die zu Hause nicht mehr wissen, wie sie überleben sollen. Und es ist nicht ihre Schuld, dass es die internatio­nale Staatengem­einschaft nicht geschafft hat, einen ordentlich­en Plan aufzustell­en, wie in den Herkunftsl­ändern die Probleme gelindert werden können. Es ist sehr traurig, was da passiert.“

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Monteverdi­s „L’Incoronazi­one di Poppea“, wo es „krass“zur Sache geht – mit Alex Penda (als Poppea) und Valer Sabadus (als Nerone).

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