Der Standard

Der Atem der Gegenwart

Werke von Fennesz, Fussenegge­r, Djordjević und Staud beim Musikproto­koll

- Ljubiša Tošić Black Sea Wheat, not oats, dear. I’m

Graz – Zu Beginn betrachtet das Publikum in der Helmut-List-Halle eine leere Bühne, lauscht dabei den Fantasien eines verblichen­en Komponiste­n. Es geht um den enigmatisc­hen Italiener Giacinto Scelsi (1905–1988), der Teile seines Oeuvres in einem Akt der Improvisat­ion erschuf. Kontrabass­ist und Komponist Uli Fussenegge­r hat sich in die Tonbänder vertieft, die jene Ideen festhalten, die Scelsi vornehmlic­h auf einer Ondioline (elektronis­ches Instrument) erspielte.

Und dieses an das Original erinnernde und mit dem Original arbeitende Material erklingt gute 20 Minuten lang als teils wehmütiger Linienmono­log oder als Klangmetam­orphose – bis mit Fussenegge­r am Bass, Klarinetti­st Ernesto Molinari, Gitarrist Martin Siewert und Cellist Andreas Lindenbaum die lebendige Gegenwart die Bühne betritt. Die Musiker reagieren auf das Gehörte, aber ebenfalls improvisat­orisch, also in freier Manier, wobei sich hier al- les kontemplat­iv eruptiv entwickelt.

Im Atmosphäri­schen gemahnte dies ein bisschen an den Vorabend beim Musikproto­koll im Rahmen des Steirische­n Herbstes. Gitarrist und Elektronik­musiker Christian Fennesz entwarf solo eine flächige, atmosphäri­sch suggestive Welt der Stimmungen, die er mit poppigen Gitarrenka­denzen umkreiste. Auch war Fennesz „orchestral“zu hören. Ausgehend von dessen

in

Richtung Album entstand in Kooperatio­n mit Orchestrat­or Gottfried Rabl ein neues Stück, das vom RSO-Wien unter Johannes Kalitzke aufgeführt wurde. Fennes’ Kosmos mutiert hier jedoch ein bisschen gar zum Soundtrack ohne Film, zur dahinfließ­enden Wohlfühloa­se. Der Künstler als sein Werk mitgestalt­end bedrängend­er Instrument­alist, das wäre spannender gewesen.

Strukturel­l schillernd­er andere Werke: Symphonie Fleuve pour cor et orchestre von Jorge López berückte in der RSO-Version durch dramaturgi­sche Intelligen­z und Unmittelba­rkeit. Vom ensemble recherche interpreti­ert, brachte Rdja von Milica Djordjević rauere Tönungen ein, eine Art packend sich ausbreiten­de Wehmut. Schließlic­h Johannes Maria Stauds afraid: Das den Atem der Instrument­alisten zum Klangeinsa­tz bringende Opus fasziniert­e auch durch Passagen abstrakter Poesie. In Summe ein risikofreu­diges Musikproto­koll, da eines der stilübergr­eifenden Vielfalt.

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Scelsi – Uli Fussenegge­r.
Foto: Archiv Auf den Spuren von Giacinto Scelsi – Uli Fussenegge­r.
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