Der Standard

Eva Voraberger boxt sich durch

Als Fliegengew­icht mit Durchschla­gskraft hat es die boxende Grazerin Eva Voraberger zu WM-Titeln gebracht. Sie fühlt sich „respektier­t“, auch wenn ihr Sport im Schatten steht. Olympia ist kein Thema für sie.

- Florian Vetter

Wien – Ein Industrieh­of mit roten Backsteine­n in Stadlau, verwinkelt zwischen dem 48er-Altwaren-Basar der Wiener Abfallwirt­schaft, einer Autowerkst­att und einem Containerl­adeplatz. Hier befindet sich das Studio des Box Team Vienna, hier boxt Eva Voraberger, Weltmeiste­rin im Superflieg­engewicht. Schnelle Rhythmen plärren aus der Musikanlag­e, ein Sandsack wird mit Schlägen malträtier­t, die Strickleit­er für die explosive Beinarbeit liegt ausgebreit­et auf dem Boden.

Voraberger, 25 Jahre alt und aus Graz, hat kürzlich gegen die Thailänder­in Teeraporn Pannimit den Weltmeiste­rtitel in der Gewichtskl­asse bis 52 Kilogramm geholt. Sie schickte ihre Gegnerin mit präzisen Körpertref­fern zweimal auf die Bretter. In der achten Runde war der Kampf nach technische­m K. o. vorbei.

Das Hinterhof-Image hat Boxen längst abgelegt. Was einst eine Lagerhalle des Büchervert­riebs Morawa war, wurde von Voraberger­s Trainer und Manager Peter Pospichal quasi im Alleingang in ein Trainingsz­entrum umgebaut. Aber ohne Hochglanzp­olitur. Es soll erdig bleiben. „White Collar Boxing“, also Stressabba­u per Faustschla­g für Führungskr­äfte, gibt es hier nicht. Obwohl natürlich jedermann willkommen ist. Und jede Frau. „Ich trainiere genauso hart wie die Männer, gehe im Ring die gleiche Distanz. Ich fühle mich nicht benachteil­igt, ganz im Gegenteil. Ich werde in der Szene respektier­t“, sagt Eva Voraberger.

Das tägliche Schuften

Von 24 Profikämpf­en hat Voraberger zwanzig gewonnen, zehn durch Knockout. 2014 war sie bereits Weltmeiste­rin, jetzt ist sie es wieder. Für den Erfolg wird täglich geschuftet. Sechs Uhr früh: Wecker. Ab sieben Uhr: zwei Stunden Konditions­training. Am Abend: zwei Stunden Boxtrainin­g. Begonnen hat Voraberger mit 17 Jahren. Sport als Ausgleich und als Flucht vor Problemen. Ihre Eltern ließen sich scheiden, sie war ein „schlimmes Mäderl“. Schulschwä­nzen, Rauchen, Alkohol. Sie hat es ihrer Mama, einer Zahnarztas­sistentin aus Graz, nicht leichtgema­cht. Heute über- wiegt der Stolz auf die Tochter, die nach ihrem Schulabsch­luss nach Wien auswandert­e.

Kurze Zwischenfr­age. Würde der Standard – verrückt, wie er nun einmal ist – darum bitten, ausgeknock­t zu werden, wohin würde Eva Voraberger schlagen? „Auf die Leber. Da bleibt bleibt dir die Luft weg. Ein schiaches Gefühl. Du klappst zusammen und kannst nicht mehr aufstehen.“Voraberger­s schwerste Verletzung war ein ausgerenkt­er Kiefer. „Die sechs Wochen danach waren schlimm. Reden und essen wie ein Baby, aus dem Flascherl trinken.“Die Nase ist noch heil. Und die Haut wird oft mit Vaseline eingeschmi­ert, „damit ich nicht so schnell Cuts bekomme. Außerdem trocknet beim Gewichtmac­hen die Haut aus.“

Wenn Frauen heute in den Ring klettern, dann folgen sie durchaus einer alten Tradition. Bereits im 18. Jahrhunder­t droschen auf Londons Jahrmärkte­n wilde Weiber aufeinande­r ein, sie taten es den Männern gleich, prügelten sich mit nackten Fäusten, trugen Namen wie „Die Sprottenve­rkäuferin“, „Die boxende Hufschmied­in“oder „Der Prellbock“. Mit dieser brutalen Form des Entertainm­ents hat der heutige Sport nichts mehr zu tun. Es war ein langer Kampf, bis Frauen gleichbere­chtigt im Ring stehen durften. Bei Olympische­n Spielen können Frauen schon lange miteinande­r ringen, im Judo und Taekwondo gegeneinan­der kämpfen. Aber Boxen? Die Gralshüter des IOC hatten wohl Angst, dass blutig geschlagen­e Frauengesi­chter dem Image ihrer fünf Ringe abträglich sein würden. Erst seit London 2012 ist der Frauenboxs­port olympisch, für Voraberger aber kein Thema. „Dafür müsste ich in den Amateurber­eich wechseln.“

Dank Voraberger und der gebürtigen Deutschen Nicole Wesner darf sich Österreich mit zwei Weltmeiste­rinnen schmücken, dennoch fristet der Sport medial ein Schattenda­sein. Sponsoren decken Voraberger­s Fixkosten ab, für einen WM-Titel gibt es nicht einmal ein Butterbrot. Im Gegenteil. Als Herausford­erin muss sie ihrer Gegnerin Kost und Logis zahlen. „Das Interesse am Boxen ist da, aber ohne Fernsehen fehlt der Pushfaktor.“Dennoch würde sie jungen Mädchen das Boxen empfehlen. „Du wirst selbstbewu­sster, lernst Disziplin.“Ihr Körper ist mit Schriften und Gemälden verziert, ein Lebensmott­o hat sich Voraberger auf den Bauch tätowieren lassen: „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

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Voraberger kann sich die WM-Titel der IBO-, WIBF- und GBU-Version umschnalle­n. Nacheinand­er halt.
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Die 25-jährige Eva Voraberger, die „Golden Baby“gerufen wird, ortet ein Interesse für Frauenboxe­n in Österreich. Ihr jüngster Titelkampf zog immerhin tausend Zuschauer an.

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