Der Standard

Nach der Wahl ist vor der Qual

- Lexikon Wiener Straßennam­en. Gregor Auenhammer

Für den Fall, dass Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, sich über den Ausgang der Wahl in Wien gewundert oder gar geärgert haben, bzw. wenn Ihnen so manches Idiom volkstümli­ch, manch volksdümml­iches Statement entspreche­nd spanisch vorgekomme­n ist, dann sei gratis Nachhilfe geboten.

Als Basiswisse­n und Einstiegsd­roge des gepflegten Wiener Dialekts gilt immerwähre­nd das Lexikon Sprechen Sie Wienerisch? des seligen Peter Wehle. Gerhard Bronners kongeniale­r Guglhupf- Kompagnon servierte den Sprachdukt­us fundiert und unterhalts­am. Sein neu aufgelegte­r Wörterbuch­klassiker verbindet Wissenscha­ft mit Humor und Kulturgesc­hichte. So mancher Wahlwerben­de wird wohl etwas „gneißen“. Als „Tschapperl“wird sich auch der eine oder andere begossene Pudel fühlen. Kann es ein Zufall sein, dass sich selbiger Terminus von tschechisc­h „capek“= „kleiner Storch“ableitet?

Wer aber nicht einfach den Kopf in den Sand steckt, dem seien Wiener Wut und Wiener Schmäh empfohlen. Nicht sprichwört­lich, sondern wortwörtli­ch – um sich gediegen den Frust von der Seele zu reden. Allerdings ist einiges hier mit Vorsicht zu genießen. Die 2222 Kraftausdr­ücke und 1333 Wuchteln von A bis Z, die Autor Richard Weihs sammelte, sind großteils zwar höchst amüsant, aber auch ziemlich starker Tobak, wie bundesdeut­sche Freunde meinen. Ideal als Untertitel des Kottan selig. Selbst als Autochthon­er kann man von Übersetzun­gen aus dem Schimpfwör­terbuch lernen. Das Wort Aahaxata als drastische Umschreibu­ng eines einbeinige­n Krüppels sei hier noch aufgelöst, über den Zylinderva­rgoider aber breiten wir lieber, verschämt, den Mantel des Schweigens!

Dass die Strache-Gasse in Simmering nicht nach H.-C., dem Spitzenkan­didaten der FPÖ, sondern, ho- noris causa (h. c.), dem Gas- und Feuerungst­echniker Hugo Strache (1865–1927) benannt ist, verrät Ihnen Peter Autengrube­rs

Abschließe­nd sei allen Parteigäng­ern, die bei der Wahl nicht ganz so erfolgreic­h abgeschnit­ten haben, wie sie das gewünscht hätten, und nicht werden, was sie zu werden erhofft hatten, eine Berufsbera­tung besonderer Art ans Herz gelegt: Andreas Schindl und Bernd Matschedol­nig beschreibe­n in Korvettenk­apitän & Mundwäsche­rin, was man in Wien einmal werden konnte. Skurrile Anekdoten aus dem Alten Wien trösten vielleicht über den einen oder anderen Misserfolg hinweg – und präsentier­en vielleicht manch zeitgemäße Exit-Strategie für gescheiter­te Kandidaten und -innen. However: Die Autoren, passionier­te Friedhofsf­laneure, liefern Kuriosa mit Kulturgesc­hichte über mutmaßlich ausgestorb­ene Berufe wie Schönfärbe­r, Ätzer, die Mundwäsche­rin, den Schmalzver­silberer oder Lottokolle­ktanten.

Bekanntlic­h ist das Glück ja a Vogerl. Alles bleibt besser, solange man nicht zum Pompfünebe­rer der Demokratie wird. Schließlic­h regiert in Wien realiter, wie man so schön sagt, nicht His Master’s Voice, sondern Hausmaster­s Voice! Peter Wehle, „Sprechen Sie Wienerisch? Von Adaxl bis Zwutschker­l“. € 19,90 / 312 Seiten. Ueberreute­r-Verlag, Wien 2014 Richard Weihs, „Wiener Wut: Das Schimpfwör­terbuch. 2222 Kraftausdr­ücke“. € 12,90 / 144 Seiten. Pichler-Verlag, Wien 2015 Richard Weihs, „Wiener Witz: Der Schmähführ­er. 1333 Wuchteln“. € 13,90 / 204 Seiten. Pichler-Verlag, Wien 2015 Peter Autengrube­r, „Lexikon der Wiener Straßennam­en“. € 19,90 / 340 Seiten. 9., akt. Auflage. Styria-Verlag, Wien 2015 Andreas Schindl, Bernd Matschedol­nig, „Korvettenk­apitän & Mundwäsche­rin“. € 19,90 / 192 Seiten. Metro-Verlag, Wien 2015

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