Bangen um Bildungsreform
Am 17. November will Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek einen Plan für „die Schule der Zukunft“präsentieren. Manche jener Experten, die Vorarbeiten dafür geleistet haben, sind skeptisch. Einer fürchtet gar eine „Mickey-Mouse-Reform“.
Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek will im November die „Schule der Zukunft“präsentieren. Experten sind skeptisch.
Wien – Manchem Warten ist etwas Hoffnungsvolles zu eigen. Anderem nicht. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hegte bei seiner Budgetrede eher unzweifelhaft fordernde Erwartungen für den 11. November, jenen Tag, an dem die Bildungsreformkommission nichts weniger als ihre Pläne für die „Schule der Zukunft“(© Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, SPÖ) vorlegen will.
Für heuer wird das Budgetloch des Ressorts zwar aufgefüllt, mit den in Aussicht gestellten zusätzlichen 106,5 Millionen für 2016 werde sie aber wieder nicht das Auslangen finden, deponierte die Ministerin bereits vorsorglich. Eine neue Mietstundung komme nicht infrage, also: hoffen auf die Bildungsreform – hier in der Tonalität skeptischen Zuwartens.
Beschleunigen, abbremsen
Im Oktober des Vorjahres von Regierungs wegen beschlossen, Ende Jänner mit einer ersten Sitzung in die Gänge gekommen, musste die Reformgruppe im Juli abrupt abbremsen, als mit Erwin Pröll (ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ) gleich zwei Mitglieder ihren Verhandlungssessel zurückschoben, aufstanden und gingen.
Weitaus unaufgeregter die Treffen jener Expertengruppe, die bereits im Juli 2014 aus der Not heraus entstanden ist. Damals wie heute war die Bildungsministerin knapp bei Kasse. Weshalb sie laut darüber nachdachte, sich jene Summe, die die Länder durch ihre notorische Stellenplanüberschreitung verschlingen, via eine um zwei Stunden erhöhte Lehrverpflichtung wieder zurückzu- holen. Das vereinte Mauern der angesprochenen Kostentreiber war die Geburtsstunde der BundLänder-Expertengruppe. Und die arbeitete sukzessive Themen von Schulautonomie bis zu Verwaltungsreform ab – Ende März präsentiert unter dem Titel „Freiraum für Österreichs Schulen“.
Das Erstaunliche an dem Papier: Es eignet sich nicht für den routiniert eingespielten BundLänder-Schlagabtausch. Die Experten haben für beide Seiten etwas: Zielvorgaben einschließlich Gesetzgebungskompetenz und Ergebniskontrolle sollen so wie das Lehrerdienstrecht beim Bund liegen. Die neu zu schaffenden „Bildungsdirektionen“in den Ländern kümmern sich diesem Plan folgend um bedarfsgerechte Unterstützung und regionale Planung für die in Hinkunft autonomen (!) Schulen.
Würde es zu so einer Organisationsreform mit „echter Autonomie, einer schlankeren Verwaltung und dem Aufwerten der Elementarbildung“kommen, wäre IV-Bildungsexperte Christian Friesl, der am Entwurf mitgearbeitet hat, zufrieden. Zu verbessern gäbe es natürlich auch danach noch einiges. Ob die Bildungsreform nur dann eine gelungene ist, wenn die Elementarpädagogik endlich bundeseinheitlich geregelt wird? „Es ist Zeit, das jetzt umzusetzen“, findet Friesl.
Auf die Zeit drängt auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, jetzt statt Pröll im Team. Auch Bürgermeister Michael Häupl, der für Niessl eingesprungen ist, könnte sich jetzt, nach der Wien-Wahl, eingehender mit dem Thema befassen. In der Expertengruppe macht sich mancher ob des zu erwartenden politischen Kuhhandels bereits Sorgen der größeren Sorte.
Der eben aus dem Amt geschiedene Landesschulratspräsident von Niederösterreich, Hermann Helm, ist im Standard- Gespräch „nicht sehr optimistisch, dass am 17. 11. ein echtes Schulreformpaket präsentiert wird“. Die Reformvorschläge, die er in der Expertengruppe mitformuliert hat, wurden mittlerweile von drei Teams auf Beamtenebene durchpflügt und auf Umsetzbarkeit geprüft. Im Juli wurde Bericht gelegt – und das, was durchsickert, lässt Helm befürchten, „die werden wieder neue Fragen aufwerfen, um Zeit zu gewinnen“. Für ihn brauchte es eine komplette Überarbeitung sämtlicher Schulgesetze. Helm: „Da wurde immer Neues hineingeschrieben, ohne die alten Gesetze wegzugeben, jetzt kennen sich keine zehn Personen mehr aus.“
Mehr als Doppelgleisigkeiten
Wenn aber wie jetzt Ministerialbeamte daran arbeiten, könnte womöglich „jeder schauen, dass er möglichst viel für seine Daseinsberechtigung rausholt“, glaubt Helm. Dabei will er gerade die überbordende Verwaltung dringend verschlankt sehen. Stichwort Schulbau: „Warum können das die Länder nicht direkt mit der Bundesimmobiliengesellschaft abwickeln? Das sind keine Doppelgleisigkeiten mehr, da nimmt man den Akt mindestens 50-mal in die Hand.“Große Einsparungen erwartet sich Helm hier nicht. Die erreiche man eher über die Zusammenlegung von Schulleiterposten. Die Expertengruppe schlägt vor, dass mindestens 250 bis 300 Schüler unter eine Leitung kommen. Oder Stichwort Schulautonomie: Hier brauche es klare Ausstiegsszenarien für ungeeignete Lehrer, laut Helm gibt es „viele Wanderpokale“. Bliebe Schulautonomie nur ein Schlagwort, sei das bestenfalls eine „MickeyMouse-Reform“.
Auch Albert Eigner, Chef der Bildungsabteilung des Landes Steiermark, würde es bedauern, wenn am Ende nur eine „kleine Reform bei der Schulautonomie“herausschauen würde. Es sei zu wenig, wenn künftig Lehrer Zeugnisse selbst unterschreiben können, sagt er zum Standard. Größter Konflikt bleibe jener um die Zuständigkeit für die Lehrer. „Ich beneide niemanden, der diesen gordischen Knoten lösen muss.“In der Arbeitsgruppe habe man versucht, mit den Bildungsdirektionen einen Ausweg zu finden. Dann wären zwar immer noch die Länder für Pflichtschullehrer und der Bund für die Pädagogen an höheren Schulen zuständig, aber es würde nur mehr eine Verwaltungsbehörde geben.
Zuversichtlich ist Rudolf Altersberger. Der Kärntner Landesschulratspräsident wurde vom Ministerium in die Expertengruppe gesandt. „Derzeit laufen Checks und Gegenchecks, am Ende wird die Ministerin aus allen Vorschlägen ein wohlschmeckendes Gericht kochen“, sagt er zum STANDARD. Heinisch-Hosek selbst hat zuletzt betont, dass für sie der Bund die Verantwortung für alle Lehrer haben sollte. Man habe berechnet, dass die „Verländerung“zu Mehrkosten führen würde, „zu ziemliche hohen“.