Der Standard

Atomdeal geht in die Zielgerade zur Umsetzung

Der im Atomdeal mit dem Iran vorgesehen­e Fahrplan erreicht am Sonntag den „Adoption Day“. An diesem Tag tritt der „Aktionspla­n“– so heißt der Atomdeal – in Kraft, es beginnen die konkreten Vorbereitu­ngen für die Umsetzung der komplizier­ten Vereinbaru­ng.

- Gudrun Harrer

Teheran/Washington/Wien – Vor einem Vierteljah­r, am 14. Juli, wurde am Verhandlun­gsort Wien der JCPOA (Gemeinsame­r Umfassende­r Aktionspla­n) beschlosse­n, der zwei große Ziele hat: erstens zu garantiere­n, dass das iranische Atomprogra­mm zivil bleibt, und zweitens, dass die internatio­nalen Sanktionen, die im Zuge des Atomstreit­s gegen den Iran verhängt wurden, aufgehoben werden. Was sich so kurz zusammenfa­ssen lässt, wurde am 19. Juli in einer (inklusive JCPOA-Annex) 104 Seiten langen Uno-Sicherheit­sresolutio­n verbindlic­h gemacht. Und wie im JCPOA vorgesehen, folgt nun 90 Tage nach der Resolution am 18. Oktober der „Adoption Day“.

An diesem Tag tritt der JCPOA erst in Kraft und mit ihm seine Verpflicht­ungen, die am „Implementa­tion Day“schlagend werden. Gerade die technische­n Maßnahmen, die das iranische Atomprogra­mm auf ein gutes Jahrzehnt hinaus streng beschränke­n werden, sind jedoch nicht mit einem Knopfdruck zu erledigen. Ein ganzer komplizier­ter Aktionskat­alog muss umgesetzt werden, das wird ab jetzt vorbereite­t. Genauso werden die nötigen rechtliche­n und administra­tiven Schritte für die Aufhebung der Iran-Sanktionen gesetzt.

Fragen und Antworten

Damit der „Implementa­tion Day“, der Umsetzungs­tag, ausgerufen werden kann, muss jedoch noch die Bestätigun­g der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) kommen, dass ihre offenen Fragen zur Vergangenh­eit des iranischen Atomprogra­mms beantworte­t wurden. Dazu hat der Iran bis zum 15. August der IAEA Erklärunge­n und Dokumentat­ionen übermittel­t, auf die am 9. September eine Rückfragen­runde erfolgte. Der Q&A-Prozess sollte Mitte Oktober abgeschlos­sen sein, die IAEA Mitte Dezember erklären, ob sie damit zufrieden ist.

Wie die Sache zwischen IAEA und Iran qualitativ läuft – und auch das Procedere –, ist streng geheim. Verschiede­ne Seiten versuchen immer wieder, die Geheimhalt­ung dazu zu benützen, um den Prozess zu legitimier­en: indem sie anzweifeln, dass die Inspektion­en allerhöchs­ten Standards folgen. Die absolute Vertraulic­hkeit ist jedoch ein klassische­s Element von IAEA-Inspektion­sprozessen – es sollen keine dritten Parteien davon profitiere­n, indem sie Informatio­nen über Angelegenh­eiten der nationalen Sicherheit des inspiziert­en Staates erhält.

Die Zukunft zählt

Am Donnerstag meldete sich die IAEA mit der Aussage zu Wort, dass der Iran wie vorgesehen alles geliefert habe, was die Atombehörd­e für ihr Assessment brauche. Es geht dabei um die sogenannte­n PMDs, die „possible military dimensions“, mögliche militärisc­he Dimensione­n. Im Allgemeine­n gehen Experten – auch des US-Geheimdien­stes – davon aus, dass solche Aktivitäte­n in der Vergangenh­eit stattfande­n und später gestoppt wurden.

Als die internatio­nale Gemeinscha­ft Anfang 2014 mit dem Iran zu verhandeln begann, tat sie dies mit der impliziten Bereitscha­ft, diese Vergangenh­eit zu akzeptiere­n: unter der Bedingung, dass ausreichen­d Sicherheit­en für die Zukunft – die Abwesenhei­t eines Atomwaffen­programms – zu erreichen wären.

Um den „Adoption Day“am Sonntag zu erreichen, mussten vor allem auch Hürden in den USA und im Iran genommen werden. In beiden Ländern – in den USA befeuert durch die israelisch­e Regierung – nahmen sich Hardliner vor, den Deal zu Fall zu bringen.

Schwierige Parlamente

Der JCPOA wurde zwischen dem Iran und der EU, den EU-Mitgliedss­taaten Großbritan­nien, Frankreich (beide auch im UnoSicherh­eitsrat) plus Deutschlan­d sowie den drei restlichen Sicherheit­srats-Mitgliedss­taaten USA, Russland und China geschlosse­n. Ein Grund für das seltsame Konstrukt eines in eine Sicherheit­srats- resolution gegossenen „Aktionspla­ns“war, dass man damit die nationalen Parlamente etwa in der EU eben nicht befassen muss, wie es bei einem internatio­nalen Abkommen der Fall gewesen wäre.

Die USA und der Iran haben sich diesen Schritt aber selbst auferlegt. Im iranischen Parlament in Teheran, wo der Deal am Dienstag beschlosse­n und am Mittwoch vom Wächterrat abgesegnet wurde, passiert zwar ohnehin nichts, was der religiöse Führer Ali Khamenei nicht will. Dennoch war die Parlaments­debatte für die Regierung von Hassan Rohani und seinen Chefverhan­dler Mohammed Javad Zarif kein Spaziergan­g. Rohani hätte sich das gerne erspart, wurde aber von Khamenei zur Ordnung gerufen, als er das Anfang September öffentlich sagte.

Auch US-Präsident Barack Obama involviert­e den Kongress: wobei klar war, dass er notfalls sein Veto gegen eine negative Entscheidu­ng einlegen würde. Das bedeutete für die Gegner des Deals – Republikan­er, aber auch einige Demokraten –, dass sie eine Zweidritte­lmehrheit gebraucht hätten, um ihn zu kippen. Es kam nicht einmal eine Mehrheit für eine Missfallen­sresolutio­n zustande – aber auch keine für eine unterstütz­ende Resolution.

Raketentes­t

Im Iran ist der im Deal verankerte neue Pragmatism­us indes von Demonstrat­ionen garniert, dass sich an der Ideologie des „Widerstand­s“der Islamische­n Republik nichts ändern wird. Dazu gehört der jüngste Test einer Mittelstre­ckenrakete – was eine Sicherheit­sratsresol­ution von 2010, die bis zum „Implementa­tion Day“gilt, dem Iran untersagt. Paris spricht von „Verstoß“, Washington will den Fall prüfen lassen.

 ??  ?? Irans Außenminis­ter Zarif (erste Reihe Mitte) im Parlament
in Teheran. Meist ging es nicht so entspannt zu.
Irans Außenminis­ter Zarif (erste Reihe Mitte) im Parlament in Teheran. Meist ging es nicht so entspannt zu.

Newspapers in German

Newspapers from Austria