Der VW Käfer, der Formel 1 fahren will
Im Volleyball gehört Wien seit heuer zu Bisamberg oder vice versa, je nach Sichtweise. Der frühere Großklub aus der Hauptstadt ging eine Fusion ein, um wieder erstklassig zu werden. Ziel der Amateure und ihres deutschen Trainers ist der Klassenerhalt.
Korneuburg/Wien – Vier-, fünf-, sechsmal wechselt der violettgrellgelbe Volleyball die Seiten. Es wird gebaggert, gepritscht und geschmettert, bis der Ball schließlich hart im Out aufprallt. Kopfschütteln auf der linken Spielhälfte, Jubel und Abklatschen auf der rechten. Viermal in der Woche trainiert die Spielgemeinschaft Union Raiffeisen Bisamberg/hotVolleys im Turnsaal des Korneuburger Gymnasiums. Nun steht der Liga-Auftakt an, am Samstag in Klagenfurt wird die Spielgemeinschaft sehen, wo sie steht. Titelverteidiger und Favorit Hypo Tirol eröffnet schon heute, Freitag, in Weiz die Saison.
Dass Wien jetzt zu Bisamberg gehört, ist Ergebnis eines Brückenschlags zwischen der Sportunion Bisamberg und den einst so erfolgreichen hotVolleys aus der Hauptstadt. Nach 18 Meistertiteln und nicht ganz so vielen Namensänderungen ging der Verein, dem Peter Kleinmann jahrzehntelang seinen Stempel aufgedrückt hatte, finanziell in die Knie. Nachdem eine Saison lang kein Wiener Verein in der obersten Klasse gespielt hatte, wurde durch die Fusion „eine Wunde geschlossen“, wie Kleinmann sagte, der ins operative Geschäft allerdings nicht eingebunden ist.
„Wiener Verein“ist so oder so ein bisserl relativ, obwohl der Klub in der Brigittenauer Halle Hopsagasse seine Heimspiele bestreiten wird. Beide Vereine bestehen autonom weiter, sie schicken Spielgemeinschaften in die Hallen – sowohl in der ersten als auch in der zweiten Liga. „Zwei Mannschaften würden sich im Großraum Wien nicht in der ersten Liga halten“, sagt Peter Wollenschläger, sportlicher Leiter in Bisamberg. Dafür gebe es nicht genügend Talente.
Auch Sebastian Mantler pritscht Bälle. Der 23jährige Lehramtsstudent ist Kapitän. Wie seine Kameraden betreibt er den Sport rein hobbymäßig – ohne einen Cent zu verdienen. Die Spielgemeinschaft ist ein Amateurteam. Zehn Stunden in der Woche widmet Mantler dem Training. Matches und Auswärtsfahrten kommen dazu. Um sich seine Ausbildung zu finanzieren, gibt er Mathematik-Nachhilfe. „Das Studium leidet unter dem Sport“, sagt er. „Aber das Spielen macht halt so viel Spaß.“
Trainer Stefan Bräuer umreißt das Saisonziel. „Wenn wir am Ende in der Liga geblieben sind, haben wir alles richtig gemacht. Den Jungs muss bewusst sein, dass wir mehr Spiele verlieren als gewinnen werden.“Mit Salzburg und Klagenfurt werde man gegen den Abstieg kämpfen, prognostiziert der 50-jährige Hesse, der in Österreich eine „Dreiklassengesellschaft“ortet. Es gebe die Spitze mit Tirol und Aich/Dob, das Mittelfeld, die Aufsteiger. Da und dort sei die Infrastruktur problematisch. „Etliche Hallen sind zu niedrig, die Bälle gehen ständig an die Decke.”
Bräuer über seine Philosophie: „Ich versuche den einzelnen Athleten zu verbessern. Wenn das gelingt, wird sich die ge- samte Mannschaft steigern.“Im Volleyball sei es zunächst wichtig, an der Technik zu feilen. Die beste Technik sei aber wertlos ohne Athletik. „Ich vergleiche es mit einem VW Käfer, mit dem man Formel 1 fahren will“, sagt Bräuer. „Wenn man nichts unternimmt, wird man aus jeder Kurve fliegen. Verbessern muss man deshalb: das Gehäuse, den Motor, die Fahrtechnik.“Viel Wert wird auf den Nachwuchs gelegt. Bräuer wirkt in diversen Volksschulen am Sportunterricht mit, bringt den Schülern Basics bei. „Wir möchten die Kinder für Volleyball begeistern, vielleicht kommen so einige zum Verein.“
Um in der ersten Bundesliga wirklich Fuß zu fassen, seien professionellere Strukturen unumgänglich. Über kurz oder lang will die SG Bisamberg/hotVolleys Sponsoren aufstellen. Bräuer: „Wenn wir unsere Spieler bezahlen könnten, würden manche auf ihre Nebenjobs verzichten und öfter zum Training kommen.“Marketing, Medienarbeit, alles gehört verbessert, stimmt der sportliche Leiter Wollenschläger zu. Bräuer: „In einer Millionenstadt wie Wien braucht man Erfolge, um medial wahrgenommen zu werden.“Der VW Käfer mag noch so sympathisch sein, auf Dauer könnte er ins Schleudern geraten.