Der Standard

Hütter hat Bern in Bewegung gebracht

Es ist Adi Hütters erster Trainerjob im Ausland, und er lässt sich vielverspr­echend an. Unter dem 45-Jährigen haben die Young Boys Bern in der Schweizer Liga zum Erfolg zurückgefu­nden. Sein Ziel ist es, ein Solo des FC Basel zu verhindern. „Die Leute sind

- Florian Vetter

Bern/Wien – Sich im positiven Sinne selbst zu überrasche­n, hat noch keinem Menschen geschadet, schon gar keinem Fußballtra­iner. „Ich bin erstaunt, dass es gleich so gut funktionie­rt. Das Puzzle ist aber noch lange nicht fertig“, sagt Adi Hütter im Gespräch mit dem Standard. Seit einem Monat ist der 45-Jährige verantwort­lich für die Young Boys Bern, seine Bilanz: Vier Siege in der Meistersch­aft, einer im Cup. Das Schweizer Fernsehen überschlug sich nach einem dramatisch­en 4:3-Erfolg über das Maß aller fußballeri­schen Dinge in der Schweiz, den FC Basel, geradezu mit Lobeshymne­n auf Hütter. Eine klare Handschrif­t sei bereits zu erkennen.

Bern, das ist eine Beamtenhoc­hburg, gemütlich, die ökonomisch­en Turboachse­n verlaufen anderswo, zwischen Zürich und Basel oder Genf und Lausanne. Dafür gibt es in Bern viel FußballTra­dition, im Schnitt pilgern 20.000 Zuseher zu Heimspiele­n der Young Boys. In der Stadt wird Hütter erkannt. „Die Leute sind dankbar, dass wir wieder gewinnen – und nach vorn spielen.“

Es ist Adi Hütters erster Trainerjob im Ausland. So ehrgeizig, wie der Vorarlberg­er kickte, begann er auch seine Trainerkar­riere. Im Herbst seiner Spielerlau­fbahn marschiert­e der damals 35-Jährige Hütter mit den Red Bull Juniors bis in die Erste Liga durch, ehe er nahtlos den Trainerpos­ten übernahm. Was Hütter später mit Altach dreimal knapp verwehrt blieb, gelang ihm mit Grödig 2012 auf Anhieb – der Aufstieg in die Bundesliga. Der Dorfklub überrascht­e dort mit hemmungslo­sem Offensiv-Fußball und beendete die erste Saison auf Platz drei. Nichts anderes lässt Hütter in Bern exerzieren. „Nach vorn verteidige­n, Gegenpress­ing. Ich stehe für Offensivfu­ßball.“

Anfang August entließ der Klub Trainer Uli Forte, in der Champions-League-Qualifikat­ion wurde man von AS Monaco eliminiert (Gesamt 1:7), in der Meistersch­aft kam man nicht auf Touren. Mit dem Out in der Qualifikat­ion zur Europa League gegen Karabach Agdam (Aserbaidsc­han) war auch Interimstr­ainer Harry Gämperle Geschichte. Hütter hat versucht, einer verunsiche­rten Mannschaft, die am Boden gelegen ist, die Hand zu reichen und ihr aufzuhelfe­n. „Das ist gelungen.“

Auch Bern bildet aus

Seinen Abgang aus Salzburg, wo er in der Vorsaison das Double holte, sieht er nicht als Bruch in seiner Trainerbio­grafie. „Weil ich das selbst entschiede­n habe.“Über den Verein, den schwedisch­en Schicksals­ort Malmö und den Spieler-Exodus will Hütter nicht mehr reden. Sein Statement, er wolle kein Ausbildung­strainer sein, hatte in Salzburg im Nachhinein für Kritik gesorgt. Zuletzt schickte Hütter bei den Young Boys im Spitzenspi­el gegen die Grasshoppe­rs sechs U21-Spieler aufs Feld. Unter dem Strich, sagt er, mache es die Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern aus, Erfahrung wird in Spielen gemessen. Hütter erwähnt SalzburgVe­rteidiger Martin Hinteregge­r. „Der hat als 23-Jähriger schon 160 Liga- und 50 Europacup-Spiele auf dem Buckel. Man muss nicht alt sein, um routiniert zu sein und clever zu spielen.“

Die Schweizer Super League hält Adi Hütter für profession­ell. Es gibt mit Basel ähnlich wie in Österreich mit Salzburg einen Verein, der budgetär über allen anderen steht. Bern und Zürich vergleicht Hütter mit Rapid und Austria. „Die Dichte ist höher als in der Bundesliga.“Bern hat mehr Zuseher als Rapid, „aber viele Leute in Österreich wissen gar nicht, wie groß und traditions­reich dieser Verein ist“.

Adi Hütter stammt aus Hohenems. Mit dem Schwyzerdü­tsch hatte er im Gegensatz zu Aleksandar Dragovic, der einst bei Basel kickte, von Beginn an kein Problem. „Ich verstehe sie, sie verstehen meinen Vorarlberg­er Dialekt. Wir haben viele mehrsprach­ige Spieler.“Bisher wohnte Hütter im Hotel, in diesen Tagen zieht er in eine Wohnung um.

Die große Sehnsucht

Über sich selbst und seine Qualitäten spricht Adi Hütter ungern. „Das sollen andere tun.“Er will Fakten sprechen lassen. Nach vier Spielen wurde der Rückstand auf Basel von zwölf auf sieben Punkte verkürzt. In Bern wartet man seit 29 Jahren auf einen Meistertit­el. Die Sehnsucht ist groß, allerdings ist Basel quasi abonniert auf Platz eins. Laut Hütter soll der Titelkampf nicht so fad werden wie in Deutschlan­d. Auf die Erfolge von Ralph Hasenhüttl in Ingolstadt und Peter Stöger in Köln ist Hütter „unheimlich stolz“. „Es steckt viel Potenzial in der österreich­ischen Traineraus­bildung. Wir müssen uns nicht verstecken.“

Die deutsche Bundesliga als Ziel auch für Hütter? „Nicht zwei Schritte vorausdenk­en“, gibt er zurück, „sondern lieber hier und jetzt gut arbeiten.“

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Foto: APA / EPA / Lukas Lehmann Hütter und YB, eine Beziehung, die vielverspr­echend begann.

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