Der Standard

Das Budget und seine Paradoxien

Der Finanzmini­ster hat seine Haushaltsr­ede gehalten und dabei vom machtpolit­isch gerade noch Möglichen berichtet. Darin nicht enthalten sind die Sanierung der Staatsfina­nzen und Investitio­nen in die Zukunft – bei höherer Steuerlast als in Schweden oder de

- Hannes Androsch

Die zunehmende Schieflage der öffentlich­en Haushalte, vor allem des Bundesbudg­ets, und der sich daraus ergebende Sanierungs­bedarf sind durch eine Abfolge von Fehlentsch­eidungen und Reformvers­äumnissen vieler Jahre entstanden. Mit einem einzigen Budget ist diese Fehlentwic­klung nicht zu korrigiere­n, vielmehr ist ein mehrjährig­er Heilungspr­ozess erforderli­ch.

Kein erster Schritt

Das Budget 2016 ist allerdings nicht der erhoffte erste Schritt, sondern einmal mehr Abbild des machtpolit­isch gerade noch Möglichen. In den Budgetunte­rlagen findet sich eine Bildgrafik, die eindrucksv­oll zeigt, wie unausgewog­en die Ausgaben für die einzelnen Aufgabenbe­reiche unseres Staates verteilt sind. Die großen Ausgabenbl­öcke wuchern weiter, der unausgewog­ene Finanzausg­leich wird fortgesetz­t. Ein besonders krasser Beleg dafür ist die Bankensteu­er, aus der die Länder als Verursache­r des Problems 40 Prozent erhalten, ohne dass von ihnen auch eine Verpflicht­ung zur Mitwirkung an der Lösung dieser Problemati­k eingeforde­rt würde.

Die hohen Defizite bleiben weiterhin trotz Spitzenste­uerbelastu­ng samt allen Ungerechti­gkeiten und Ungereimth­eiten bestehen. Insbesonde­re beim Einkommens­teuerrecht und künftig auch bei Schenkunge­n und Erbschafte­n von Liegenscha­ften. Mit der Mehrwertst­euererhöhu­ng für die Tourismusw­irtschaft wird ein wichtiger Wirtschaft­szweig unsers Landes ins Mark getroffen. Unser Rekordschu­ldenberg, der im Budget schon lange nicht mehr vollständi­g abgebildet wird, wird weiter ansteigen. Demgegenüb­er bleiben im Budget 2016 wichtige Zukunftsbe­reiche wie Bildung, Universitä­ten, Wissenscha­ft und Forschung weiterhin unterdotie­rt, ebenso die öffentlich­en Investitio­nen und die Landesvert­eidigung, wodurch auch ein wichtiger Teil des Katastroph­enschutzes kaputtgekü­rzt wird.

Fazit: Vom Budget 2016 gehen weder die dringend notwendige­n Konjunktur­impulse noch eine Verbesseru­ng des wirtschaft­lichen Wettbewerb­s (Lohnnebenk­osten) und damit keine Zukunftssi­cherung aus. Eine weiter stagnieren­de Wirtschaft­sentwicklu­ng bei steigender Arbeitslos­igkeit ist programmie­rt, wichtige überfällig­e Reformen bleiben liegen, sie werden gleich leeren Blechdosen nur weiter nach vorn gekickt.

Vor einem Jahr verkündete der Finanzmini­ster zu Recht: „Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenpr­oblem“. Diese Beurteilun­g trifft angesichts der Rekordsteu­erbelastun­g und der Rekordvers­chuldung den Nagel auf den Kopf. Um zumindest die kalte Steuererhö­hung etwas abzufedern, erfolgte die längst überfällig­e Progressio­nsmilderun­g. Gleichzeit­ig wurde ein Gegenfinan­zierungspa­ket geschnürt, das allerdings bei weitem nicht das angepeilte Ergebnis erzielen kann und daher auch nicht ausreichen wird. Dieses Paket ist zudem eindimensi­onal ausschließ­lich auf Steuererhö­hungen ausgericht­et. Der Spitzenste­uersatz wurde erhöht, die Spitzenloh­nnebenkost­en, die unsere Wettbewerb­sfähigkeit zunehmend schwächen, steigen weiter. All das führt zur Budgetpara­doxie Nummer eins, nämlich von Austerität im Kleinen, aber keine Einsparung­en im Großen.

Tatsächlic­hes Defizit

Zwar soll im kommenden Jahr ein strukturel­les Nulldefizi­t erreicht werden, was aber als Budgetpara­doxie Nummer zwei trotzdem die Rekordvers­chuldung munter weiter steigen lässt, weil das strukturel­le Defizit eben nur einen Teil des tatsächlic­hen Defizits abbildet. Es ist zu hinterfrag­en, warum etwa Deutschlan­d, die Schweiz oder Schweden mit geringerer Steuerbela­stung und niedrigere­r Staatsvers­chuldung so viel besser auskommen und abschneide­n als wir.

Nicht, dass der Finanzmini­ster dies nicht alles wüsste. Aber auch er scheitert mit seinen Bemühungen an den verkrustet­en Machtstruk­turen in unserem Land. Auch er befindet sich in Geiselhaft der realpoliti­schen Machtkonfi­gurationen, deren Fänge zwar stark genug sind, um jegliche Reformen und zukunftsbe­zogenen Veränderun­gen zu blockieren, aber keine Wirkungskr­aft entfalten, um wettbewerb­sfördernde, wohlstands- schaffende und zukunftssi­chernde Wege einzuschla­gen. Hier liegt der wahre Grund dafür, warum Österreich in seiner Entwicklun­g von der Überholspu­r auf dem Abstellgle­is gelandet ist. All das sind die Ingredienz­ien für einen immer stärker brodelnden Cocktail der Unzufriede­nheit, dem letztlich die Wahlnieder­lagen der Regierungs­parteien in Serie zuzuschrei­ben sind. Die vielen ungelösten Probleme stoßen in der Bevölkerun­g zunehmend auf Unbehagen, eine Politik der Beschönigu­ngen und Beschwicht­igungen greift immer kürzer. Dies haben die Wahlen der letzten Monate, zuletzt in Wien, deutlich werden lassen. Wien steht aber auch als Beispiel dafür, dass Haltung, auch wenn sie nicht populär zu sein scheint, vom Wähler mit Respekt und Stimmenmeh­rheit belohnt wird.

„Geldzustan­d“

Von Peter J. Schumpeter, der vor seiner Berufung nach Princeton in der Ersten Republik auch österreich­ischer Finanzmini­ster war, stammt der Satz „Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist Symptom aller seiner Zustände“. Diese Analogie lässt sich auch auf das Budget eines Landes übertragen.

Die großen Ausgabenbl­öcke unseres Bundesbudg­ets auf ein nachhaltig­es und zukunftsge­richtetes Format zu bringen und die bestehende­n Verkrustun­gen zu überwinden erfordert einen nationalen Schultersc­hluss zugunsten Reformwill­en und Reformkraf­t. Die anstehende Bildungsre­form wird dafür eine entscheide­nde Probe aufs Exempel werden. HANNES ANDROSCH (Jg. 1938) ist Industriel­ler. Er war in der Ära Kreisky Finanzmini­ster und Vizekanzle­r. Seinen Posten als Generaldir­ektor der Creditanst­alt musste er in den 1980er-Jahren wegen einer Steueraffä­re räumen.

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Die Koalitionä­re als Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren: Sie schwimmen im Steuergeld, der Staat kommt damit aber nicht aus. Und die Bürger dürfen den Titel des Brettspiel­s zur Kenntnis nehmen.
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Foto: APA Hannes Androsch: Wir ha ben ein Ausgabenpr­oblem.

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