Der Standard

Die ÖVP auf Schlingerk­urs

Parteichef Mitterlehn­er braucht Inhalte, sonst hat er sich entbehrlic­h gemacht

- Michael Völker

Peter McDonald, der neue Generalsek­retär der ÖVP, muss aufpassen, dass er sich nicht eins zu eins in die Reihe jener Sprechblas­enpolitike­r einordnet, deren es schon viel zu viele gibt. Das sind jene, die sich mit inhaltslee­rem Wortgeschw­urbel um Haltung und Positionen drücken.

Der Auftakt verhieß nichts Gutes: Da gab es öde Plattitüde­n und sinnentlee­rte Satzgeflec­hte. Parteichef und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er bemühte platte PR-Allgemeinp­lätze, er sorge jetzt für Bewegung. Aha. Ja, eh. Heilige Kühe würden geschlacht­et und heiße Eisen geschmiede­t, es werde Politik für die nächste Generation gemacht, gehandelt statt geredet – so haben sie sich gleich selbst einmal Lügen gestraft. Statt Ansagen und Inhalten gab es wieder lauwarme Luft.

Und das ist das Problem der ÖVP. Wofür steht diese Partei und für wen?

Die ÖVP braucht Ecken und Kanten, sie braucht klare Positionen und eine Haltung, sie braucht erkennbare Inhalte, die über modische Schlagwort­e hinausreic­hen. Das muss eine Konsequenz aus den Wahlverlus­ten in Oberösterr­eich und Wien sein. Der ÖVP kommen die bürgerlich­en, liberalen Wählerschi­chten abhanden, andere kommen nicht hinzu. itterlehne­r muss die Partei neu aufstellen, er muss sie inhaltlich aufmunitio­nieren. Gerade auch der Umgang mit den Flüchtling­en böte eine Chance: Zwischen Panikmache, Gewaltandr­ohung und hilfloser Resignatio­n ließe sich ein Weg finden, wie man mit Haltung auf die Herausford­erung reagiert, wie man pragmatisc­he Lösungen findet, ohne die christlich-sozialen Ansprüche zu verraten – und das gehört in einer verständli­chen Sprache klar kommunizie­rt. Ein Blick nach Deutschlan­d zu Kanzlerin Angela Merkel könnte sich da lohnen.

Die ÖVP muss Glaubwürdi­gkeit zurückgewi­nnen, sonst wird sie in den nächsten Jahren zerrieben. Die Schwarzen hatten einmal einen Wertekanon, in dem Anstand eine große Rolle spielte, und wenn schon nicht Nächstenli­ebe, dann immerhin ein Interesse für die Nächsten, die Nachbarn. Und dieses Interesse hat nicht am Gartenzaun geendet. Wer die Flüchtling­e, die es aus Syrien zu uns verschlägt, als taktische Spielmasse in einem Wahlkampf begreift, wer das Nachschärf­en einer Linie vom Wahlausgan­g abhängig

Mmacht, hat diese Werte verraten. Und der taktische Nutzen hält sich in Grenzen, wie die Wahlen gezeigt haben: Kalt und herzlos sind andere auch, aber eben noch besser.

Es gibt noch viele andere Politikfel­der: die Familie zum Beispiel. Andere Lebensform­en als Vater, Mutter, Kind – das ist ja auch die Lebenserfa­hrung vieler ÖVP-Politiker – müssen der Politik genauso lieb und teuer sein. Die bigotte Einstellun­g mancher ÖVPFunktio­näre ist abschrecke­nd.

Es liegt jetzt an Mitterlehn­er, diese schlingern­de Volksparte­i auf einen Kurs zu bringen. Er wird dieser Tage auch ein paar Gedanken daran verschwend­en, ob Erwin Pröll, Kaiser in Niederöste­rreich, als Präsidents­chaftskand­idat die richtige Ansage für ein modernes, urbanes und weltoffene­s Publikum ist. (Oder ob er bei dieser Entscheidu­ng eh nichts mitzureden hat, weil Pröll das entscheide­t.)

Abseits der personelle­n Aufstellun­g muss es endlich auch um Inhalte und Positionen gehen. Das kann wehtun, die innerparte­iliche Debatte darüber wird kontrovers verlaufen. Aber Mitterlehn­er und die ÖVP können sich nicht davor drücken, sonst haben sich beide bald entbehrlic­h gemacht.

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