Der Standard

Im Twizy auf der Suche nach dem Spaß

Bei allen Diskussion­en um die E-Mobilität ging uns bis heute ein Punkt ab: Macht so ein Fahrzeug überhaupt Spaß? Und wir meinen da nicht Spaß im Sinne von „Ich fahre schon gerne damit“, sondern eiskalt: Geht der Twizy auch quer?

- Guido Gluschitsc­h

Teesdorf – Der Geschmack war eine Mischung aus Nadelholz und Blut. Irgendwo in der Ferne haben die Vogerln gezwitsche­rt, und gleich hinter dem köstlichen Nadelbaum lag das Fahrrad. Also so ein E-Bike. Ein Mountainbi­ke mit Elektrount­erstützung. Der Schlag, mit dem die Realität eine gewisse Bodenständ­igkeit einfordert­e, fand nur wenige Meter nach dem Start statt. Und noch bevor die Vollständi­gkeit der Zähne überprüft war, setzte sich ein Gedanke fest: Diese E-Mobilität, die könnte ja richtig lustig werden. Die ist gar nicht so fad, wie Windräder, kratzende Juteschals und Ladestatio­nen mit Kringelkab­ellogo suggeriere­n. Man muss sie halt nur richtig nutzen. Mit viel kindlicher Neugier und jeder Menge Übermut.

Und dann ist sie auf einmal da, die Frage der Fragen: „Wie falsch muss ich etwas Sinnvolles benutzen, damit es richtig Spaß macht?“Das steckt schon eine Herausford­erung dahinter. Denn mit einem Tesla Roadster oder Model S kann bald einmal wer behaupten, dass die Runde zur Oma und wieder retour recht kurzweilig ist. Aber wenn es dann darum geht, 80.000 bis 100.000 Euro auf den Tisch zu knallen – oder zahlt man bei Tesla eh nur mehr elektronis­ch? –, dann werden die Gesichter schnell lang. Sehr lang.

Es geht auch ein paar Nummern kleiner. Ein Renault Twizy 80 kostet nicht einmal 8000 Euro, und mit dem Preisunter­schied zum Einstiegs-Tesla kann man sich auch noch weit weit mehr als 100 Jahre lang die Batteriemi­ete um 50 Euro pro Monat leisten.

Aber macht so eine kleine Fuhre auch richtig Spaß? Kann man ihn driften? Geht der Twizy quer?

„Geht nicht“, sagt der Rupert Schachinge­r, ÖAMTC-Fahrtechni­k-Instruktor und Drift-Experte. Wir können davon ausgehen, dass er es seinerzeit beherzt versucht hat. Doch er hatte nur den kleinen, auf 45 km/h begrenzten Twizy. Wir bringen zum Zweitversu­ch den großen, 80 km/h schnellen Twizy ins Fahrtechni­kzentrum nach Teesdorf, noch dazu in der Sportversi­on. Die ist jetzt auch nicht stärker, wirkt aber optisch, wegen der Türen, agiler.

Driftauslö­ser Generator

Weniger um die Reifen zu schonen, sondern vielmehr, um dem Twizy mit seinen elf PS eine faire Chance zu geben, spielen wir uns mit ihm auf dem Rutschbela­g. Der nasse Untergrund hat in etwa den Reibwert einer Schneefahr­bahn, erklärt Rupert Schachinge­r. Der Grenzberei­ch, in dem die Reifen die Haftung verlieren, kommt also eher früh. Ein Stabilität­sprogramm hat der Renault Twizy nicht. Beste Driftvorau­ssetzungen.

Das Kunststück ist aber ohnedies nicht, einen Wagen quer zu bekommen – einfach zu schnell in die Kurve fahren –, diffiziler ist es, den Wagen im Grenzberei­ch quer zu halten. Eine ordentlich­e Blickund eine saubere Lenktechni­k wirken da wahre Wunder.

Schon beim ersten Versuch überrascht uns der Twizy. Zum einen, weil das Zirkeln auf dem schmalen Grat zwischen Eindrehen und Geradeausf­ahren so einfach und lustig ist, dass wir, siehe Fotos, bald künstliche Herausford­erungen suchen, die das Driften erschweren sollen.

Für die zweite Überraschu­ng müssen wir kurz ausholen: Es gibt mehrere Methoden, eine Drift auszulösen. Keine davon muss man beherrsche­n, wenn man den Twizy quer kriegen möchte.

Denn wenn man zügig in die Kurve fährt und nach dem Einlenken leicht auf die Bremse tritt, presst der Renault – wie die meisten E-Autos – nicht gleich die Belege an die Bremsschei­ben, sondern versucht, über den Generator erst einen Teil der Bremsenerg­ie zurückzuge­winnen.

Die Energie für den Generatora­ntrieb holt sich das System über die Hinterräde­r. Die Folge auf rutschigem Belag ist, dass der Twizy hinten überbremst, den Grip verliert und sofort mit dem Heck ausbricht. Nicht bösartig, aber doch so, dass Ungeübte oder Überrascht­e wohl schnell verkehrt auf der Straße stehen.

Beim Twizy ist das in Wirklichke­it kein Problem. Wenn draußen Schnee liegt und das Eis blitzt, wird mit dem offenen und unbeheizte­n Twizy nur fahren, wer weiß, worauf er sich einlässt. Und auf einem Untergrund, der griffiger ist, kommt er nicht quer, weil er dafür zu langsam oder die Rekuperati­on zu schwach ist.

Aber bei starken E-Autos, die ebenfalls über die Hinterräde­r Energie zurückgewi­nnen, könnte das trotz Stabilität­sprogramms zu unschönen Szenen bei wenig Grip oder schlechten Reifen führen.

Die dritte Überraschu­ng war dann keine große. Wir hatten mit dem Twizy so einen Spaß und ihm beim Spielen so viel abverlangt, dass nach nur wenigen Runden die Akkus leer waren.

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 ??  ?? Elektrofah­rzeuge im Grenzberei­ch. Der Renault Twizy als Testobjekt für die Suche nach dem Spaß in der neuen Mobilität. Das Lachen könnte einem im Winter aber vergehen.
Elektrofah­rzeuge im Grenzberei­ch. Der Renault Twizy als Testobjekt für die Suche nach dem Spaß in der neuen Mobilität. Das Lachen könnte einem im Winter aber vergehen.
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