„Das Zentrum der ukrainischen Freiheitsbewegung“
Der Bürgermeister von Lwiw (Lemberg) spricht über seine Stadt, die einst zu Österreich gehörte
Lemberg – Die Stadt sieht aus wie – ein renovierungsbedürftiges – Graz. Viel Barock, viel Jugendstil. Eine altösterreichische Provinzmetropole, was Lemberg bis 1918 ja auch war. Vorher altrussisch, polnisch (Lwow), 1918 bis 1939 wieder polnisch, dann deutsche Okkupation, 1945 bis 1991 sowjetisch, seither ukrainisch (Lwiw).
Sehr ukrainisch. Der ukrainische Wille zur Unabhängigkeit vom russischen Einfluss und die Hinwendung zu Europa sind hier, im äußersten Westen der Ukraine, besonders stark. „Ohne Lemberg hätte es den Maidan nicht gegeben“, sagt der Bürgermeister Andryi Sadowyi. „Kiew ist das Herz der Ukraine, Lwiw ihre Seele. Lwiw ist das Zentrum der ukrainischen Freiheitsbestrebungen. Putin hat mit seinem Eingreifen in der Ostukraine letztlich eine gute Tat gesetzt. Die Ukrainer haben verstanden, dass sie eine Nation sind. Das war ein Schock für Putin.“
Sadowyi ist seit 2006 Bürgermeister, er hat die Stadt „ohne Beleuchtung und mit vier Stunden Wasser am Tag“übernommen. Er regiert mit seiner kleinen christdemokratischen Partei namens „Selbsthilfe“in einer Koalition mit der Partei des Präsidenten Poroschenko.
Das größte Problem seien, wie in der gesamten Ukraine, die oli- garchischen Strukturen, die Korruption und die alte politische Mentalität: „Du bist entweder Sklave oder Feind. Wir brauchen Fähigkeit zum Kompromiss.“
Von Lwiws 700.000 Einwohnern sind rund 100.000 Studenten. Dieses geistige Potenzial und die extrem niedrigen Kosten sollten attraktiv für ausländische Investoren sein. „Aber es gefällt manchen Leuten nicht, wenn wir funktionieren ...“