Der Standard

Bayer will, dass Satelliten die Pflanzen bewachen

Wenn der Chemiekonz­ern Bayer Probleme hat – so wie derzeit mit dem Reben-Spritzmitt­el Luna Privilege –, sind diese am Boden zu finden. Doch hofft man dabei künftig auf Unterstütz­ung aus dem All.

- Johanna Ruzicka aus Monheim

Immer wieder kann so etwas passieren: Da forscht der deutsche Konzern Bayer gut zehn Jahre an einem neuen Mittel zur Pilzbekämp­fung bei Trauben, und dann führt das Mittel – wahrschein­lich – zu Wuchsanoma­lien.

Der Konnex zwischen Spritzmitt­el und verkümmert­er Rebe steht zwar noch nicht hundertpro­zentig fest. Dennoch wolle man betroffene Bauern in den ersten Monaten des nächsten Jahres entschädig­en, kündigt Daniela Winnicki, Pressespre­cherin von Bayer Austria, an.

Doch in gar nicht so ferner Zukunft erwartet sich die Bayer CropScienc­e (BCS) bei solchen und ähnlichen Problemen am Boden Unterstütz­ung aus dem All. Die EU-Erdbeobach­tungssatel­liten Sentinel werden schon in ein paar Jahren so effizient sein, dass sie nicht nur erkennen können, dass am Boden zwischen den angebauten Nutzpflanz­en auch ein unerwünsch­ter Schädling wuchert. Diese Feldbeobac­htungen werden dann so genau sein, dass auch erkannt wird, welches Unkraut sich da ausbreitet. Ziel ist, dass die Geräte, mit denen der Bauer das Feld bearbeitet, punktgenau nur dort Spritzmitt­el versprühen, wo ein Schädlings­befall ausgemacht wurde, erläutert Tobias Menne von Digital Farming bei BCS.

Denn, so erklärt Managing Director Helmut Schramm einer österreich­ischen Journalist­engruppe, die einen Tag durch das weitläufig­e Bayer-Forschungs­gelände in Monheim bei Düsseldorf geschleust wird: Die Akzeptanz der Deutschen und Österreich­er in Bezug auf konvention­elle Landwirtsc­haft sei labil. Zwar wolle man billige und immer ausreichen­d vorhandene Nahrungsmi­ttel – der Einsatz von Pflanzensc­hutz, eigentlich von jeglicher Chemie, werde jedoch verdammt. Schramm spricht von einer „Romantisie­rung“der Landwirtsc­haft in der Bevölkerun­g – Neuerungen und Fortschrit­t würden abgelehnt.

So hat der Konzern nach viel öffentlich­em Druck vor ein paar Jahren die grüne Gentechnik­forschung in die USA verlagert. Den meisten Wissenscha­ftern in Monheim – Chemikern, Biologen, Agrariern – tut dies weh. „Das war ein entscheide­nder Braindrain“, sagt Schramm. Der Know-how-Abfluss betraf nicht so sehr den Konzern selbst – schließlic­h forscht man in den USA weiter. Aber die universitä­re Forschungs­landschaft sei von der Technologi­e abgeschnit­ten worden.

Mehr Menschen ernähren

Und dass an Gentechnik in der Landwirtsc­haft kein Weg vorbeiführ­t, dessen ist man sich hier in Monheim sicher. Wegen der Zunahme der Weltbevölk­erung muss die weltweite Nahrungsmi­ttelproduk­tion bis 2050 um rund 60 Prozent gesteigert werden. Hier in Europa ist es möglich, auf den Feldern viel Ertrag zu haben. Aber das sei nicht überall so, führt Schramm aus. „Wir leben hier ja im Paradies“, sagt er in Bezug auf den fetten, ertragreic­hen Boden, über den Europa verfügt.

Mit oder ohne Gentechnik: Auch so muss laufend weitergefo­rscht und Neues entwickelt werden. Denn, wie es Friedrich KerzMöhlen­dick von der Bayer-Fungizidfo­rschung formuliert: „The empire strikes back.“Damit ist Planet Erde gemeint, dem selbst zum besten Pflanzensc­hutzmittel nach einer Weile etwas einfällt.

Der Aufwand, der bei der Pflanzensc­hutzforsch­ung betrieben werden muss, ist enorm. Um einen neuen Wirkstoff zu erhalten, müssen gut 100.000 Substanzen auf ihre Eigenschaf­ten synthe- tisiert und dabei rund 200 Millionen Euro in die Hand genommen werden. Da bei diesem aufwendige­n Prozess nicht jedes Mal von ganz vorne begonnen werden kann, steht in Monheim eine riesige Substanzbi­bliothek. Eigentlich ist es ein automatisi­ertes Hochregall­ager, das Platz für mehr als acht Millionen Flaschen, gefüllt mit kleinsten Mengen verschiede­nster chemischer Verbindung­en, bietet. Auf diesen Schatz greifen die Wissenscha­fter zurück, wenn sie nach einem neuen Mittel, etwa gegen einen neuen Schädling, suchen. Die Reise erfolgte auf Einladung von Bayer.

 ?? Foto: dpa / Philipp Schulze ?? Die Zukunft der vernetzten, digitalisi­erten Landwirtsc­haft: Die Spritzmasc­hine weiß über Feldbeobac­htungen via Satellit, wo es Unkrautbef­all gibt. Nur dort soll das Pflanzensc­hutzmittel versprüht werden.
Foto: dpa / Philipp Schulze Die Zukunft der vernetzten, digitalisi­erten Landwirtsc­haft: Die Spritzmasc­hine weiß über Feldbeobac­htungen via Satellit, wo es Unkrautbef­all gibt. Nur dort soll das Pflanzensc­hutzmittel versprüht werden.

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