Vorstand muss Stiftung gegen sich selbst vertreten
Vertretung trotz Interessenkonflikt: OGH klärt Verfahrensfragen bei Abberufungen
Wien – In den letzten Jahren nahm der Oberste Gerichtshof zu zahlreichen Fragen des materiellen Stiftungsrechts Stellung und entwickelte diesen Rechtsbereich wesentlich weiter. Mit der letzten stiftungsrechtlichen Entscheidung (OGH 1. 9. 2015, 6 Ob 46/15f) ging er auf vieldiskutierte verfahrensrechtliche Themen ein:
Vorstandsmitglieder einer Privatstiftung können amtswegig oder auf Antrag abberufen werden, wenn sie (i) grob pflichtwidrig handeln, (ii) unfähig ihre Aufgaben zu erfüllen oder (iii) insolvent sind. Im Anlassfall war der OGH neuerlich mit der Frage konfrontiert, ob die Stiftung in Abberufungsverfahren gegen ihre Vorstandsmitglieder Parteistellung hat. Anders als zuletzt bejahte er die Frage und prüfte, wer die Stiftung in diesen Verfahren vertritt.
Vorstandsmitglieder, die etwa wegen grober Pflichtverletzung gerichtlich abberufen werden sollen, sind häufig Schadenersatzforderungen der Stiftung ausgesetzt. Sie haben daher meist ein persönliches Interesse, eine gerichtliche Abberufung abzuwehren. Zu prüfen war daher, ob es Vorstandsmitgliedern zugemutet werden kann, die Interessen der Stiftung auch in Verfahren wahrzunehmen, in denen sie sich gegen Angriffe auf ihre Person zur Wehr setzen müssen, oder ob sie aufgrund dieses Interessenkonflikts von der Vertretung der Stiftung im Abberufungsverfahren ausgeschlossen sind.
Keine Gefahr für Interessen
Auch diese Frage bejahte der OGH und argumentierte, dass jedem einzelnen Organmitglied aller Stiftungsorgane das Recht zukomme, die Abberufung eines Vorstandsmitglieds zu beantragen. Darüber hinaus bestehe durch die Ausgestaltung des Abberufungsverfahrens keine Gefahr, dass die Interessen der Stiftung aufgrund ihrer Vertretung durch den Vorstand in diesen Verfahren gefährdet sind. Dies gelte selbst dann, wenn die Stiftung durch das konkret abzuberufende Vorstandsmitglied vertreten wird.
Weiters sei der Stiftungsvorstand als Vertreter der Stiftung verpflichtet, auch in diesen Verfahren ausschließlich die Interessen der Stiftung zu vertreten. Er hafte für jene Kosten, die der Stiftung durch sein Verhalten im Verfahren entstehen. Ein Kollisionskurator, der die Stiftung anstelle des Vorstands vertritt und eine etwaige Interessenkollision verhindert, sei nur in Ausnahmefällen zu bestellen.
Wann ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, lässt der OGH in seiner Entscheidung offen. Unklar ist etwa, ob dafür objektive Kriterien, z. B. die Ausgestaltung der konkreten Stiftung oder die Anzahl der Organmitglieder anderer Organe, die sich am Verfahren aktiv beteiligen, ausschlaggebend sind. Alternativ könnte auch auf subjektive Kriterien abgestellt werden, wie etwa den Inhalt der Eingaben des Stiftungsvorstands, ob nun für die Stiftung oder im eigenen Namen. Das Gericht würde dann allerdings zwangsläufig bereits bei der Entscheidung über die Bestellung des Kollisionskurators auf inhaltliche Fragestellungen in der Hauptsache eingehen.
Wie der OGH diese Fragestellung zukünftig lösen wird, bleibt somit abzuwarten. Offen blieb auch, wer die Kosten des Kurators zu tragen hat. In Betracht kommt insbesondere die Stiftung. Er wird zur Wahrung ihrer Interessen bestellt. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Stiftung diese Kosten etwa auf das abberufene Vorstandsmitglied abwälzen kann, bleibt zukünftigen Entscheidungen vorbehalten.
DR. GEORG BIRKNER ist Partner bei Birkner Kinner Rechtsanwälte. birkner@ birknerkinner.at