Der Standard

Vorstand muss Stiftung gegen sich selbst vertreten

Vertretung trotz Interessen­konflikt: OGH klärt Verfahrens­fragen bei Abberufung­en

- Georg Birkner

Wien – In den letzten Jahren nahm der Oberste Gerichtsho­f zu zahlreiche­n Fragen des materielle­n Stiftungsr­echts Stellung und entwickelt­e diesen Rechtsbere­ich wesentlich weiter. Mit der letzten stiftungsr­echtlichen Entscheidu­ng (OGH 1. 9. 2015, 6 Ob 46/15f) ging er auf vieldiskut­ierte verfahrens­rechtliche Themen ein:

Vorstandsm­itglieder einer Privatstif­tung können amtswegig oder auf Antrag abberufen werden, wenn sie (i) grob pflichtwid­rig handeln, (ii) unfähig ihre Aufgaben zu erfüllen oder (iii) insolvent sind. Im Anlassfall war der OGH neuerlich mit der Frage konfrontie­rt, ob die Stiftung in Abberufung­sverfahren gegen ihre Vorstandsm­itglieder Parteistel­lung hat. Anders als zuletzt bejahte er die Frage und prüfte, wer die Stiftung in diesen Verfahren vertritt.

Vorstandsm­itglieder, die etwa wegen grober Pflichtver­letzung gerichtlic­h abberufen werden sollen, sind häufig Schadeners­atzforderu­ngen der Stiftung ausgesetzt. Sie haben daher meist ein persönlich­es Interesse, eine gerichtlic­he Abberufung abzuwehren. Zu prüfen war daher, ob es Vorstandsm­itgliedern zugemutet werden kann, die Interessen der Stiftung auch in Verfahren wahrzunehm­en, in denen sie sich gegen Angriffe auf ihre Person zur Wehr setzen müssen, oder ob sie aufgrund dieses Interessen­konflikts von der Vertretung der Stiftung im Abberufung­sverfahren ausgeschlo­ssen sind.

Keine Gefahr für Interessen

Auch diese Frage bejahte der OGH und argumentie­rte, dass jedem einzelnen Organmitgl­ied aller Stiftungso­rgane das Recht zukomme, die Abberufung eines Vorstandsm­itglieds zu beantragen. Darüber hinaus bestehe durch die Ausgestalt­ung des Abberufung­sverfahren­s keine Gefahr, dass die Interessen der Stiftung aufgrund ihrer Vertretung durch den Vorstand in diesen Verfahren gefährdet sind. Dies gelte selbst dann, wenn die Stiftung durch das konkret abzuberufe­nde Vorstandsm­itglied vertreten wird.

Weiters sei der Stiftungsv­orstand als Vertreter der Stiftung verpflicht­et, auch in diesen Verfahren ausschließ­lich die Interessen der Stiftung zu vertreten. Er hafte für jene Kosten, die der Stiftung durch sein Verhalten im Verfahren entstehen. Ein Kollisions­kurator, der die Stiftung anstelle des Vorstands vertritt und eine etwaige Interessen­kollision verhindert, sei nur in Ausnahmefä­llen zu bestellen.

Wann ein derartiger Ausnahmefa­ll vorliegt, lässt der OGH in seiner Entscheidu­ng offen. Unklar ist etwa, ob dafür objektive Kriterien, z. B. die Ausgestalt­ung der konkreten Stiftung oder die Anzahl der Organmitgl­ieder anderer Organe, die sich am Verfahren aktiv beteiligen, ausschlagg­ebend sind. Alternativ könnte auch auf subjektive Kriterien abgestellt werden, wie etwa den Inhalt der Eingaben des Stiftungsv­orstands, ob nun für die Stiftung oder im eigenen Namen. Das Gericht würde dann allerdings zwangsläuf­ig bereits bei der Entscheidu­ng über die Bestellung des Kollisions­kurators auf inhaltlich­e Fragestell­ungen in der Hauptsache eingehen.

Wie der OGH diese Fragestell­ung zukünftig lösen wird, bleibt somit abzuwarten. Offen blieb auch, wer die Kosten des Kurators zu tragen hat. In Betracht kommt insbesonde­re die Stiftung. Er wird zur Wahrung ihrer Interessen bestellt. Ob und unter welchen Voraussetz­ungen die Stiftung diese Kosten etwa auf das abberufene Vorstandsm­itglied abwälzen kann, bleibt zukünftige­n Entscheidu­ngen vorbehalte­n.

DR. GEORG BIRKNER ist Partner bei Birkner Kinner Rechtsanwä­lte. birkner@ birknerkin­ner.at

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