William Shakespeare als queerer Tanz
Anne Teresa De Keersmaekers „Golden Hours“in Graz
Graz – „All the world’s a stage. / And all the men and women merely players“, sinniert der Edelmann Jaques bei Shakespeare. Der belgischen Starchoreografin Anne Teresa De Keersmaeker haben dieser vielzitierte Satz und das dazugehörige Drama gefallen. Die Folge davon ist ihr Stück Golden
das sie beim Steirischen Herbst in der Grazer Helmut-List-Halle zeigte.
Seit 35 Jahren arbeitet Keersmaeker (55) als Choreografin. Während des vergangenen halben Jahrzehnts ist ihr Werk zu einem Ablauf von – durchaus publikumsverträglichen – Experimenten geworden. Bei (As you like it), uraufgeführt Anfang 2015, probiert sie aus, wie ein Theaterstück in Tanz verwandelt werden kann, ohne dabei die Form des Dramas zu kopieren oder gesprochenen Text zu verwenden.
Zu diesem Zweck spannt Keersmaeker die Shakespeare-Komödie
in die inhaltliche Struktur des Songs aus dem Album
(1975) von Brian Eno ein. Der Songtext zirkuliert um die abendliche goldene Stunde, wenn die Zeit sich zu verlangsamen scheint und – „putting the grapes back on the vine“– Gedanken an Umkehrbewegungen auslöst. Mit dieser Verlangsamung beginnt Keersmaekers Stück. Elf Tänzerinnen und Tänzer nähern sich sehr langsam vom Bühnenhintergrund her den Publikumsreihen. Knapp davor halten sie, mitten im Schritt zur Umkehr, inne, die Blicke auf ihre Zuschauer gerichtet.
Der Weg zurück wird ab der Hälfte beschleunigt. Projektion auf die Bühnen-Rückwand: „As You Like It“, „William Shakespeare“, „Act I“. Im Folgenden werden Textteile nur projiziert und nie aufgesagt. Keersmaeker suchte eine neue Form der Übersetzung von Theaterstoffen in Choreografie. Gefunden hat sie eine Überkreuzung von narrativ gestischer und abstrakt getanzter Performance.
Die Verkleidung der Rosalind als männlicher Ganymede bei Shakespeare ist in unserer alles vermischenden Gegenwart leicht als „queer“zu interpretieren. Davon wird in like it) Gebrauch gemacht. Die Rosalind etwa tanzt von Beginn an ein Mann, Aron Blom, dessen Auftreten an den Tänzer Alexander Sacharoff auf dessen 1909 gemaltem Porträt von Alexej von Jawlensky erinnert. Weite Passagen ohne Musik, ein minimalistisches Lichtkonzept und eine so entspannte wie schlüssige Durchdringung des Shakespeare-Dramas mit den Mitteln tänzerischen Ausdrucks machen das Stück zu einem echten, wenn auch herausfordernden Erlebnis. (ploe)